Die fortschreitende Digitalisierung erfasst auch im Finanzsektor immer mehr Bereiche. Digitale Geschäftsmodelle und Finanzprodukte revolutionieren längst den Finanzmarkt und auch die Zahlungsgewohnheiten verschieben sich immer mehr hin zur Nutzung digitaler Optionen. Mit dem digitalen Euro soll der Euro-Raum fit für die Zukunft gemacht werden.

Im Oktober 2021 startete die Europäische Zentralbank („EZB“) mit einer ersten Untersuchungsphase und entwickelte ein Konzept für den digitalen Euro, welches die Grundlage für den Entwurf der EU-Kommission für eine Verordnung zur Einführung des digitalen Euro (COM (2023) 369 final) vom 28. Juni 2023 („Digitaler-Euro-VO-E“) bildete.
Mit dem digitalen Euro soll der Euro in das digitale Zeitalter übertragen werden – rechtsverbindlich, staatlich garantiert und zugleich alltagstauglich soll er sein. Er soll für Online- wie Offline-Zahlungen im gesamten Euro-Raum nutzbar und eine Alternative zum herkömmlichen Bargeld sein, einschließlich der Möglichkeit, den digitalen Euro und Bargeld ohne Weiteres zum Nennwert konvertieren zu können.
Konzeptionell wird es sich beim digitalen Euro um eine digitale Zentralbankwährung (Central Bank Digital Currency, „CBDC“) handeln. Obwohl eingangs diskutiert, soll der digitale Euro sich nicht auf die Nutzung der Distributed-Ledger-Technologie stützen. Vielmehr soll der digitale Euro zentral von der EZB ausgegeben und über eine zentral von der EZB bereitgestellte Infrastruktur transferiert werden. Regulierte Zahlungsdienstleister, die als Schnittstelle zu den Endnutzern fungieren und bei denen Endnutzer ein Konto für den digitalen Euro eröffnen können („Digitaler-Euro-Konto“), sind an diese zentrale Struktur angebunden. Der Vorteil dabei liegt klar in der Steuerbarkeit und Skalierbarkeit des digitalen Euros zur Wahrung der Finanzstabilität.
Als digitale Version des Euro soll der digitale Euro ein gesetzliches Zahlungsmittel sein, anstelle von Zahlungen mit privaten Zahlungsmitteln wie Debit- oder Kreditkarten oder Dienstleistern wie PayPal. Mit dem Status als gesetzliches Zahlungsmittel einher geht die Verpflichtung des Zahlungsempfängers, den digitalen Euro für Zahlungen anzunehmen. Ausnahmen von der Annahmepflicht sind etwa für Kleinunternehmen mit bis zu zehn Arbeitnehmern und für Privatpersonen vorgesehen.
Allerdings soll der digitale Euro keineswegs eine reine Online-Währung sein, sondern auch offline nutzbar sein. Ein Nutzer wird daher wohl etwa den digitalen Euro in seiner digitalen Wallet (die für 2026 geplante European Digital Identity (kurz: EUDI)-Wallet) auf dem Smartphone speichern und damit – ohne dass eine ständige Internet-Verbindung erforderlich ist – beispielsweise an der Supermarktkasse bezahlen können.
Der Digitaler-Euro-VO-E sieht vor, dass der digitale Euro in den Euro-Mitgliedstaaten sowie aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung zwischen der EZB und der jeweiligen nationalen Zentralbank auch in Nicht-Euro-Mitgliedstaaten und Drittländern genutzt werden können soll.
Nur auf den ersten scheint der digitale Euro mit Kryptowährungen wie Bitcoin vergleichbar, sind doch sowohl digitaler Euro als auch Kryptowährungen rein digital zu Zahlungszwecken einsetzbar.
Der Unterschied beginnt allerdings schon mit der Kontrolle über den digitalen Euro. Dieser wird von der EZB zentral ausgegeben und gesteuert und wird gerade nicht auf der für viele Kryptowährungen charakteristischen Distributed-Ledger-Technologie basieren. Darüber hinaus soll der digitale Euro eine wertstabile Zentralbankwährung sein, wohingegen viele Kryptowährungen (z.B. Bitcoin) durch eine hohe Volatilität auffallen.
Der wohl größte Unterschied dürfte aber in der staatlichen Schöpfung des digitalen Euro liegen. Es handelt sich gerade nicht um eine privat geschaffene Kryptowährung, sondern ein offizielles Zahlungsmittel mit einer entsprechenden Annahmeverpflichtung. Dies verspricht dem digitalen Euro einen deutlich weiteren Anwendungsbereich als Kryptowährungen.
Die Einführung des digitalen Euros soll Banken Schätzungen der EZB zufolge etwa EUR 4 bis 5,8 Mrd. kosten. Dieser Betrag soll zwar unter früheren Branchenschätzungen liegen, erfordert aber nach wie vor einige Anstrengungen der Banken. Es stellt sich daher fast zwangsläufig die Frage: Wozu das alles überhaupt?
Die Einführung des digitalen Euro verspricht einige Vorteile sowohl für die beteiligten Zahlungsdienstleister als auch für die Endnutzer (Händler und Verbraucher):
1. Zahlungsdienstleister
Zahlungsdienstleister sollen den zentralen Anlaufpunkt für die Endnutzer darstellen und diesen gegenüber Dienstleistungen erbringen, für die sie Entgelte oder Gebühren verlangen können. Diese Dienstleistungen können im gesamten Euro-Raum erbracht werden.
Der aktuelle Digitaler-Euro-VO-E sieht allerdings von vornherein Grenzen für eine Bepreisung von Zahlungsdienstleistungen vor. Grundlegende Zahlungsdienste (z.B. Eröffnung, Führung und Schließung eines Zahlungskontos oder die Einsicht in Salden und Transaktionen) dürfen gar nicht bepreist werden; sonstige zahlungsbezogene Entgelte dürfen maximal in einer Höhe vereinbart werden, die vom Nutzer für vergleichbare digitale Zahlungsmittel gezahlt werden müssten. Diese Beträge soll die EZB in regelmäßigen Berichten veröffentlichen.
2. Endnutzer
Die EZB hat angekündigt, dass sich die Funktionen des digitalen Euro stark an den bereits aktuell am Markt befindlichen Zahlungsdiensten orientieren werden (z.B. Bezahlung via NFC an Terminals an der Supermarktkasse; Sofortüberweisung im Online-Handel). So sollen Nutzer in jedem Land des Euro-Raums – anders als dies aktuell der Fall ist – dieselben einfachen, schnellen und sicheren Zahlungsmöglichkeiten aus einer Hand nutzen können.
Händler können Ihren Kunden somit europaweit unproblematisch verschiedenste Zahlungsmöglichkeiten anbieten, ohne auf das Angebot privater Zahlungsdienstleister angewiesen zu sein. Die EZB will hier verstärkt auf die Möglichkeit der nahtlosen Implementierung in bestehende Kassensysteme, eine einfache Handhabung und Resilienz gegenüber Störungen achten.
Zentraler Dreh- und Angelpunkt für die Nutzung des digitalen Euros durch Verbraucher soll eine digitale App werden, mit der sie verschiedenste Online- wie Offline-Funktionen steuern können sollen. Dabei soll ein besonderes Augenmerk der User Experience gelten, um sicherzustellen, dass die App und der digitale Euro von allen Nutzergruppen ohne Weiteres verwendet werden können.
Schließlich sollen Nutzer aber auch nicht auf die bisherigen, vertrauten Zahlungsmittel verzichten müssen, da der digitale Euro mit diesen kompatibel sein soll. Auch mit einem herkömmlichen Zahlungskonto soll das Digitaler-Euro-Konto leicht verknüpft werden können.
Erst vor wenigen Tagen endete die seit Oktober 2023 laufende Vorbereitungsphase, in der die Grundlagen für Einführung des digitalen Euro gesetzt wurden: die Entwicklung eines konkreten Regelwerks für Finanzintermediäre (digital euro scheme rulebook, „Digital-Euro-Rulebook“), um standardisierte Prozesse im gesamten Euro-Raum sicherzustellen (zB Mindestanforderungen an die User Experience), Abschluss von Verträgen mit Entwicklern für die Komponenten des digitalen Euro abschloss (zB Digitaler-Euro-App und Offline-Lösungen), Bereitstellung einer Innovationsplattform für Tests ausgewählter Marktteilnehmer (zB Test von „bedingten Zahlungen“, die bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses automatisch ausgelöst werden, oder integrierten elektronischen Belegen, anstelle eines physischen Ausdrucks an der Kasse) und Untersuchung, wie der digitale Euro den Bedürfnissen der verschiedenen Stakeholder (zB Intermediäre, Händler, Verbraucher) gerecht werden kann.
In der seit dem 1. November 2025 laufenden nächsten Pilotierungsphase geht es nun darum, das Eurosystem auf die für das Jahr 2029 geplante Ausgabe des digitalen Euro vorzubereiten. Hierzu gehört das weitere Testen der geplanten Infrastruktur und Ausarbeitung noch offener Fragen im Regelwerk.
In diesem Zusammenhang wird bis Ende 2026 der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens für die Digitaler-Euro-VO erwartet. Der aktuelle Digitaler-Euro-VO-E wird derzeit noch im Rat der EU und dem Europäischen Parlament verhandelt, wobei eine enge Abstimmung mit der EZB erfolgen dürfte.
Wichtige Grundlagen für die Entwicklung des digitalen Euro sind gelegt und in der Einführung eines digitalen Euros liegen große Chancen für den Euro-Raum. Allerdings sind aktuell noch einige Detailfragen zu klären und die konkrete Ausgestaltung des digitalen Euro und der dazugehörigen Funktionen (insbesondere der digitalen Euro-App) bleibt abzuwarten.