„Buy now pay later“ unter der Lupe: Die digitale Zukunft der Verbraucherkredite


Die weitreichende Reform der Verbraucherkreditrichtlinie erfordert erhebliche Maßnahmen seitens der Darlehensgeber und anderer Marktteilnehmer

Das Bundesjustizministerium hat am 23. Juni 2025 den Entwurf zur Umsetzung der neuen EU-Verbraucherkreditrichtlinie (Richtlinie (EU) 2023/2225) vorgestellt, deren Reform umfassende Änderungen für Kreditgeber, Kreditvermittler und alle, deren Geschäftsmodell hiermit in Zusammenhang stehen bringt. Wir geben in diesem Artikel einen Überblick über die zivilrechtlichen Neuerungen („BGB-E“, „EGBGB-E“) und gehen auf die Gewerbeordnung („GewO-E“) ein, die Änderungen für Kreditvermittler vorsieht.

Digitale Vertragsabschlüsse: Abschied von der Schriftform?

Mit § 492 Abs. 1 BGB-E soll die Schriftform für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge abgeschafft werden. Künftig soll die Textform, etwa per E-Mail oder PDF, ausreichen. Auch für die Bereitstellung vorvertraglicher Informationen soll bei Allgemein-Verbraucherdarlehen künftig die Textform ausreichen (Art. 247 § 2 Abs. 1 S. 2 EGBGB-E). Nur Immobiliar-Verbraucherdarlehen müssen weiterhin schriftlich abgeschlossen werden. Dies dürfte in der Praxis eine erhebliche Erleichterung sein.

Zugleich stellt § 492 Abs. 1a BGB-E klar: Voreingestellte Optionen wie angekreuzte Kästchen genügen nicht für einen wirksamen Vertragsschluss. Der Verbraucher muss aktiv und eindeutig zustimmen. Das bringt Rechtsklarheit für digitale Plattformen. Darlehensgeber müssen hierbei sicherstellen, dass sie einen ordnungsgemäßen Vertragsschluss nachweisen können.

Ausweitung des Anwendungsbereichs: Unentgeltliche Verbraucherdarlehen und Finanzierungshilfen

Unentgeltliche Darlehen und Finanzierungshilfen

Die bislang geltenden Sondervorschriften für unentgeltliche Darlehen und Finanzierungshilfen (§§ 514, 515 BGB) sollen entfallen. Damit gilt: Auch zinsfreie Darlehen und Finanzierungshilfen sollen nun den allgemeinen Verbraucherdarlehensregeln unterliegen. Insbesondere im E-Commerce (z. B. bei zinsfreien Ratenkäufen in Form von “Buy now, pay later”) wäre dringend eine Überprüfung und Anpassung der Vertragsmuster sowie die Erstellung bzw. Anpassung von vorvertraglichen Informationen erforderlich.

Kleinkredite und kurzfristige Kredite

Die bislang geltenden Ausnahmen für Darlehen mit geringen Beträgen unter EUR 200 oder solche mit kurzer Laufzeit unter drei Monaten (§ 491 Abs. 2 Nr. 1, 3 BGB) sollen entfallen. Alle Verbraucherdarlehen, unabhängig von dem Betrag oder der Laufzeit, gelten künftig als Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge. Für bestimmte Kredite, wie solche mit geringen Beträgen oder kurzen Laufzeiten, bestehen jedoch Erleichterungen hinsichtlich der Anforderungen an die vorvertraglichen Informationen (Art. 247 § 3 Abs. 1 EGBGB-E).

Zwar gibt es für solche „Kleinkredite“ Erleichterungen, allerdings müssen Anbieter von Mikrokrediten und kurzfristigen Konsumentenkrediten ihre Compliance-Strukturen anpassen, da sie nunmehr dem Verbraucherdarlehensregime unterfallen. Damit werden die Anforderungen an ohnehin häufig im Einzelfall wirtschaftlich geringvolumige Kredite weiter verschärft.

Ratenkauf als Finanzierungshilfe

Besonders praxisrelevant: Der Entwurf sieht vor, dass ein durch den Händler selbst angebotener Ratenkauf mit Zahlungsaufschub von mehr als 50 Tagen künftig als Finanzierungshilfe im Sinne des § 506 Abs. 1 Nr. 4 BGB-E gilt. Somit greifen Widerrufsrechte, Informationspflichten und Bonitätsanforderungen auch bei vermeintlich einfachen Zahlungsaufschüben.

Erweiterte Informationspflichten – neues SECCI-Formular

Grundsätzlich werden die vorvertraglichen Informationspflichten bei Allgemein-Verbraucherdarlehen deutlich ausgeweitet (§ 247 § 3 Abs. 1 EGBGB-E). Gleichzeitig wird im Entwurf von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, im Hinblick auf Kleinkredite und Kredite mit geringer Laufzeit geringere Informationspflichten vorzusehen. Allerdings dürfte sich in der Praxis weiterhin die Frage stellen, wie die individuelle Befüllung des Formulars „Europäische Standardinformationen für Verbraucherkredite“ („SECCI“) vor Vertragsschluss gewährleistet werden kann. Das SECCI-Muster wurde inhaltlich überarbeitet und soll für alle Allgemein-Verbraucherdarlehen verwendet werden (Art. 247 § 2 Abs. 3 EGBGB-E).

Anforderungen an die Kreditwürdigkeitsprüfung – Proportionalitätsgrundsatz

Die Anforderungen an die Kreditwürdigkeitsprüfung für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge sollen an den strengeren Maßstab der Immobiliar-Verbraucherdarlehen angepasst werden. Nach Prüfung der Kreditwürdigkeit muss es daher „wahrscheinlich sein, dass der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen, die im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag stehen, vertragsgemäß nachkommen wird“ (§ 505a Abs. 1 Satz 2 BGB-E). Gleichzeitig wird jedoch ein Proportionalitätsgrundsatz festgeschrieben (§ 505b Abs. 2 BGB-E). Das heißt, die Prüfungstiefe muss an die Art und den Umfang des Darlehens angepasst werden.

Eine solche Prüfungspflicht würde wohl auch für unentgeltliche Kredite oder Zahlungsaufschübe gelten, sofern Zahlungsaufschübe von mehr als 50 Tagen (Kleinst-, kleine und mittlere Unternehmen) bzw. 14 Tagen (bei größeren Händlern) gewährt werden. Für diese Art der Zahlung eine eingehende Kreditwürdigkeitsprüfung zu verlangen, erscheint jedoch nicht praxistauglich. Als Quellen dürfen Informationen aus sozialen Netzwerken explizit nicht verwendet werden (§ 505b Abs. 3 Satz 1 BGB-E).

Widerrufsrecht angepasst und erstmals befristet

Der Gesetzentwurf beendet das „ewige Widerrufsrecht“: Ein grundsätzlich über das Bestehen eines Widerrufsrechts informierter Verbraucher kann nur binnen zwölf Monaten und 14 Tagen widerrufen (§ 356b Abs. 2 BGB-E).

Zudem sieht Art. 247 § 2 Abs. 4 EGBGB-E eine ausdrückliche Erinnerung an das Widerrufsrecht zwischen dem ersten und siebten Tag nach Vertragsschluss vor, wenn der Darlehensnehmer weniger als einen Tag vor Abgabe seiner bindenden Vertragserklärung über die vorvertraglichen Informationen unterrichtet wurde. Diese Nachbelehrung muss auf einem dauerhaften Datenträger erfolgen und dürfte in der Praxis einen erheblichen Mehraufwand bedeuten.

Die Anpassung des Widerrufsrechts wird besonders vor dem Hintergrund relevant, dass die Gesetzlichkeitsfiktion für die Muster-Widerrufsbelehrung für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge aus Anlage 7 EGBGB ersatzlos wegfallen soll.

Schutz vor Wucher: Explizite Nichtigkeitsregelung

Interessant ist § 492 Abs. 9 BGB-E: Zwar ändert dieser inhaltlich nichts an den bestehenden Vorgaben der Rechtsprechung im Hinblick auf § 138 BGB hinsichtlich der zulässigen Höhe von Zinssätzen, allerdings regelt dieser nun explizit die Nichtigkeit bei auffälligem Missverhältnis zwischen Vertragszins und Marktzinssatz. Ein solches liegt nach dem Gesetzentwurf in der Regel vor, wenn der vertragliche effektive Jahreszinssatz den Marktzins um mehr als 100 % oder 12 Prozentpunkte überschreitet. Auch Sicherungsgeschäfte werden in diesem Fall nichtig. Diese Regelung kodifiziert die bisherige Rechtsprechung zur zulässigen Höhe von Zinssätzen.

Mehr Schutz vor Überschuldung

Der Gesetzentwurf sieht ein explizites Verbot unaufgeforderter Kreditbereitstellung vor (§ 492 Abs. 8 BGB-E). Danach sollen Geldmittel zum Zwecke der Vereinbarung eines Allgemein-Verbraucherdarlehens nicht zur Verfügung gestellt werden, ohne dass der Verbraucher die Gewährung vorher angefordert und ihrer Erbringung ausdrücklich zugestimmt hat. Fraglich ist jedoch, ab wann eine solche unaufgeforderte Bereitstellung vorliegt. Sollte dies bereits der Fall sein, wenn einem Kunden im Rahmen eines bestehenden Kundenverhältnisses bei der Auswahl der Bezahlmethode ein zuvor gewählter Zahlungsaufschub oder ein Verbraucherdarlehen erneut angeboten wird, dürfte diese Regelung weitreichende Folgen für die Customer Journey vieler Online-Händler haben.

Mit § 497a BGB-E soll ein ausdrückliches Schutzregime zur Unterstützung bei Überschuldung geschaffen werden. Die Norm verpflichtet Kreditgeber zu präventiven Maßnahmen gegen und zur Unterstützung bei Überschuldung. Dazu gehören der Verweis an Schuldnerberatungsdienste und die Vornahme von angemessenen Nachsichtsmaßnahmen, welche ggf. Umschuldungsmaßnahmen enthalten. Diese Pflichten können auch Händler treffen, sofern ein durch sie gewährter Zahlungsaufschub nicht durch § 506 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 BGB-E privilegiert. Die Pflichten nach § 497a BGB können somit auch Händler treffen, wenn sie einen Zahlungsaufschub gewähren, der 50 Tage übersteigt (Kleinst-, kleine und mittlere Unternehmen). Für größere Händler gilt hierbei eine kürzere Frist von höchstens 14 Tagen. Zudem darf in letzterem Fall kein Dritter den Zahlungsanspruch erwerben.  

Außerdem enthält § 492a BGB-E nun ein allgemeines Kopplungsverbot, welches den Schutz von Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen auf Allgemein-Verbraucherdarlehen ausweitet: Der Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags darf nicht an den Abschluss weiterer Verträge (z. B. Restschuldversicherung) gebunden werden. Solche Kopplungsgeschäfte sind unzulässig und nichtig, selbst wenn sie für den Kreditnehmer vermeintlich günstig erscheinen. Ausnahmen sollen nur gelten, wenn das gekoppelte Produkt gesetzlich zugelassen oder behördlich genehmigt wurde (§ 492b BGB-E).

Sanktionen bei Gesetzesverstößen

Einzelne Verstöße gegen die Vorschriften des BGB zu Verbraucherdarlehen können künftig explizit als Verletzung kollektiver Verbraucherinteressen gelten (Art. 246e EGBGB-E). Dadurch ist es erstmals möglich, solche Verstöße auch durch Bußgelder bis zu EUR 50.000 zu ahnden. Dies könnte die Wirksamkeit des Verbraucherdarlehensrechts erheblich steigern, da die Schwächen der zivilrechtlichen Durchsetzung umgangen und durch die theoretisch hohen Bußgeldrahmen eine starke Abschreckungswirkung erzielt werden kann.

Erneuerung der Darlehensvermittlungserlaubnis notwendig

Die Erlaubnis für Darlehensvermittler soll künftig in § 34k GewO-E geregelt werden. Abweichend von § 34c Abs. 5 Nr. 2 GewO sollen künftig auch größere Händler als Darlehensvermittler eingestuft werden, die etwa in Form von „Buy now, pay later“ lediglich den Zugang zu Kreditangeboten Dritter ermöglichen und nicht unter die KMU-Ausnahme (weniger als 250 Mitarbeiter und höchstens EUR 50 Mio. Jahresumsatz oder höchstens EUR 43 Mio. Jahresbilanzsumme) des § 34k Abs. 4 Nr. 3 GewO-E fallen. Neu ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Erteilung einer solchen Erlaubnis zwingend einen Sachkundenachweis voraussetzt. Die genauen Anforderungen an diesen Sachkundenachweis sind bisher noch nicht klar. Allerdings dürfte diese Neuerung einige Marktteilnehmer vor Probleme stellen. Denn die Regelung erfasst auch bestehende Erlaubnisse. Auch wer bereits eine Erlaubnis zur Darlehensvermittlung besitzt, muss diesen Sachkundenachweis bis spätestens 19. November 2026 nachreichen. Andernfalls erlischt die bereits bestehende Erlaubnis.

Neu ist auch das Darlehensvermittlerregister nach § 11a GewO-E, in das alle Darlehensvermittler aufgenommen werden sollen. Zudem wird die Zusammenarbeit zwischen BaFin und Gewerbeaufsicht nach dem Entwurf gesetzlich vorgegeben. Dies soll für mehr Transparenz sorgen.

Bewertung und Ausblick

Die Reform der Verbraucherkreditvorschriften ist tiefgreifend und praxisrelevant. Der Entwurf zur Umsetzung der neuen Verbraucherkreditrichtlinie bedeutet nicht nur mehr Verbraucherschutz, sondern häufig auch erheblichen Handlungsbedarf für Anbieter und alle Marktteilnehmer. Wer Verbraucherdarlehen vergibt oder vermittelt, wird sehr wahrscheinlich Vertragsmuster, Prozesse und interne Compliance-Strukturen überarbeiten sowie ggf. einen Sachkundenachweis zur Darlehensvermittlung vorlegen müssen.

Positiv anzusehen ist insbesondere, dass die Schriftform abgeschafft werden soll und dass das Widerrufsrecht zeitlich begrenzt wird.

Allerdings unterliegen unentgeltliche Darlehen und Finanzierungshilfen künftig auch dem Allgemein-Verbraucherdarlehensrecht und damit auch erhöhten Anforderungen. Zudem soll der Schutz vor Überschuldung deutlich gestärkt werden. Erweiterte Informationspflichten, verschärfte Vorgaben bei der Kreditwürdigkeitsprüfung und neue Sanktionsmöglichkeiten erfordern ein umfassendes Compliance-Update für Marktteilnehmer.