ELTIF 2.0 – Die ELTIF-Reform als zweite Chance auf langfristiges Kapital von Privatanlegern?


Bereits im Jahr 2015 trat die Verordnung (EU) 2015/760 über europäische langfristige Investmentfonds (European Long Term Investment Fund - „ELTIF“) („ELTIF-VO“) in Kraft. Die Idee hinter der ELTIF-VO ist vielversprechend und erscheint im Jahr 2023 beinah zeitgemäßer denn je. Das Ziel: nachhaltiges und integratives Wachstum in Europa mithilfe von finanziellen Ressourcen von u.a. vielen Millionen Privatanlegern fördern, um so zB Infrastrukturprojekte, sowie Projekte im Bereich des digitalen und grünen Wandels langfristig zu finanzieren. Das Mittel: ein grenzüberschreitendes europäisches Fondsvehikel, das illiquide Kapitalanlagen auch für Privatanleger zugänglich macht. Das Problem aktuell: kaum jemand nutzt ELTIF.

Dieses Problem hat auch der europäische Gesetzgeber erkannt und unternahm nun einen zweiten Anlauf. Dafür einigten sich der europäische Rat und das europäische Parlament auf eine Reform der ELTIF-VO. Der aufsichtsrechtliche Rahmen für ELTIF soll so neugestaltet, vereinfacht und ELTIF als europäisches Fondsvehikel attraktiver werden. Ist die ELTIF-Reform die zweite Chance auf langfristiges Kapital von Privatanlegern auf die die Fonds-Branche gewartet hat? Dieser Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die teils vielversprechenden geplanten Neuerungen der ELTIF-Reform.

Was sind ELTIF? Und was sind die Vorteile?

Der aufsichtsrechtliche Rahmen für ELTIF war bislang so eng gesteckt und komplex, dass ELTIF als Fondsvehikel überwiegend vom (deutschen) Fondsmarkt unbeachtet blieb. Dabei ist das Konzept von ELTIF durchaus attraktiv und zudem einzigartig.

ELTIF sind geschlossene Fonds mit beschränkter Laufzeit, bei denen es sich rechtlich um alternative Investmentfonds (AIF) handelt. Dank EU-Passporting können ELTIF europaweit vertrieben werden.ELTIF sind gezielt auf langfristige Anlagen ausgerichtet und die einzige Fondsart, die grenzüberschreitend sowohl an professionelle Anleger als auch an Kleinanleger vertrieben werden können. Das ELTIF-Regime erweitert mithin vor allem den Zugang zu geschlossenen Fonds und bezweckt damit eine Verbesserung der Kapitalversorgung langfristiger Projekte u.a. durch die Finanzkraft von Privatanlegern.

ELTIF können folglich ein wichtiges Instrument sein, wenn es darum geht, Finanzmittel an kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und in langfristige Projekte wie Verkehrsinfrastruktur und soziale Infrastruktur sowie nachhaltige Energieerzeugung oder ‑Verteilung zu leiten.

Die ELTIF-Reform als zweite Chance?

Trotz des vielversprechenden und innovativen Konzepts von ELTIF, wurde der Erfolg dieses europäischen Fondsvehikels bislang durch strenge aufsichtsrechtliche Anforderungen ausgebremst. Besonders in der Kritik standen die teils erheblichen Einschränkungen im Vertriebsprozess (Nachfrageseite) sowie strenge Vorschriften für die Portfoliozusammensetzung (Angebotsseite). Die EU hat sich daher für die ELTIF-Reform auf die Fahne geschrieben, eine Reihe von Beschränkungen auf der Angebots- und der Nachfrageseite zu überwinden. 

Nach Überprüfung der ELTIF-VO, legte die Europäische Kommission im November 2021 einen konkreten Änderungsvorschlag vor. Anfang Februar 2023 hat das Europäische Parlament Änderungsvorschläge dieses Kommissionsvorschlags veröffentlicht, die förmliche Annahme durch den Rat erfolgte am 7. März 2023 und die endgültige Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union am 20. März 2023. Die überarbeitete ELTIF-VO ist am 10. April 2023 in Kraft getreten. Neun Monate später – also Anfang Januar 2024 – wird die Verordnung dann anwendbar sein. Für die Zwischenzeit ist jedoch eine opt-in Möglichkeit vorgesehen, um früher von den neuen Regelungen und damit dem Konzept von ELTIF profitieren zu können. Doch lohnt sich ein zweiter Blick auf ELTIF als Fondsvehikel?

Vielversprechende Reformvorschläge – ein Überblick

Es erscheint durchaus lohnenswert, ELTIF als Fondsvehikel eine (zweite) Chance zu geben. So zeichnen sich viele begrüßenswerte Neuerungen infolge der ELTIF-Reform ab, die geeignet erscheinen die Attraktivität von ELTIF zukünftig deutlich zu erhöhen. Dazu gehören zB:

  • Erweiterung des Spektrums der Anlagestrategien für Sachwerte, die ELTIF-Verwalter verfolgen können
  • zusätzliche Assetklassen, wie geistiges Eigentum, Schiffe, Anlagen, Maschinen, Flugzeuge oder Schienenfahrzeuge und Immobilien, einschließlich der mit Sachwerten verbundenen Rechte wie Wasser-, Wald- sowie Abbau- und Schürfrechte, sollen zugelassen werden
  • Dachfonds-Anlagestrategien sollen erleichtert werden
  • Master-Feeder-Strukturen sollen möglich werden
  • Fund-of-Funds-Strategie soll erleichtert werden

Außerdem sind folgenden Neuerungen geplant:

Herabsetzen von Diversifizierungsanforderungen

Bislang sah die Rechtslage vor, dass ELTIF sehr ausdifferenzierte Anforderungen an ihre Portfoliozusammensetzung beachten müssen. Diese Diversifizierungsvorgaben führen dazu, dass ELTIF im Schnitt zehn verschiedene Investitionen tätigen müssen. In der Praxis hat sich gezeigt, dass dies eine hohe Hürde darstellt. Aus diesem Grund werden die Diversifizierungsanforderungen nun so angepasst, dass künftig auch konzentriertere Anlagestrategien möglich sind.

Herabsetzen von Schwellenwerten für mehr Flexibilität und höhere Diversifizierung von Anlageportfolios

Will ein ELTIF in Sachwerte investieren, muss bisher zudem beachtet werden, dass diese einen Wert von EUR 10.000.000 haben müssen. Diesen Schwellenwert zu erreichen, gestaltet sich in der Praxis regelmäßig schwierig, denn Sachwertportfolios setzen sich häufig aus einer Reihe von einzelnen Sachwerten zusammen, deren Einzel-Wert deutlich unter EUR 10.000.000 liegt. Aus diesem Grund wird der Mindestwert gestrichen, sodass ELTIF-Verwalter in Zukunft mehr Freiheiten bei Sachwert-Investitionen haben. Die Hoffnung hierhinter ist auch, durch die Streichung des Mindestwerts eine höhere Diversifizierung von Anlageportfolios zu fördern.

ELTIF-Test wird ersetzt durch MiFID II-Eignungstest

Wird ein ELTIF an Kleinanleger vermarktet, müssen diese nach aktueller Rechtslage durch den ELTIF-Verwalter einem Eignungstest unterzogen werden. Da diese Anforderung bereits in der Richtlinie 2014/65/EU („MiFID II“) festgelegt ist, wird der bisher ELTIF-eigene Test ersetzt durch den MiFID II-Eignungstest. Mit diesem dürften viele (potenzielle) ELTIF-Verwalter bereits vertraut sein, sodass diese hier auf bestehende Kenntnisse zurückgreifen können.

Streichung der Mindestinvestition (als „Eintrittskarte“) sowie der Höchstgrenze

Vor allem für Kleinanleger sollen Zugangshürden abgebaut werden. Zu diesem Zweck soll die ursprüngliche Regelung zur „Eintrittskarte“ von EUR 10.000 als Mindestanlage gestrichen werden. Eine solche Untergrenze für Kleinanleger soll es in Zukunft nicht mehr geben. Gleiches gilt für die Höchstgrenze für das Engagement von Kleinanlegern, deren Finanzinstrument-Portfolio unter 500 000 EUR liegt. Bislang war vorgesehen, dass diese höchstens 10 % ihres Nettovermögens (das über EUR 100.000 betragen musste) investieren durften. Im Rahmen der beabsichtigen Attraktivitätssteigerung von ELTIF auch für Kleinanleger wurden diese Regelungen gelockert.

ELTIF und Nachhaltigkeit

Auch wurde das Potenzial von ELTIF in Bezug auf Nachhaltigkeit neu entdeckt. So wird im Änderungsvorschlag ausgeführt, „der langfristige Horizont von ELTIFs mach[e] sie zu einem geeigneten Instrument, um die Nachfrage der Anleger nach nachhaltigen Produkten mit der Notwendigkeit in Einklang zu bringen, die Kapitalflüsse in grüne Investitionen zu erhöhen.“ Im Sinne des Europäischen Grünen Deals („Green Deal“) wurde daher eine neue Unterkategorie von ELTIF eingeführt: ELTIF, die als ökologisch nachhaltig vermarktet werden. Für diese gelten dann selbstverständlich weiterreichende Anforderungen.

Wie diese in Zukunft ausgestaltet werden, wird Gegenstand einer von der Kommission durchzuführenden Beurteilung sein, die zwei Jahre nach Geltungsbeginn der ELTIF-VO erfolgen wird. Stellung soll insbesondere zu den Schnittstellen zwischen ELTIF-VO und der Verordnung (EU) 2019/2088 („OffenlegungsVO“) bezogen werden. Nach der ELTIF-VO muss die Kommission beispielsweise Stellung zu der Frage beziehen, ob die Bezeichnung „ELTIF, die als ökologisch nachhaltig vermarktet werden“, solchen ELTIF vorbehalten bleiben soll, die gem. Art. 9 OffenlegungsVO nachhaltige Investitionen zum Ziel haben. Diese Formulierung ist freilich nicht ganz geglückt. Um von einer ökologisch nachhaltigen Investition sprechen zu können, muss Art. 9 OffenlegungsVO stets im Kontext der Verordnung (EU) 2020/852 („TaxonomieVO“) gelesen werden – d.h. die erhöhten Anforderungen der TaxonomieVO müssen von dem ELTIF erfüllt werden.

Ein weiterer nachhaltiger Aspekt der neuen ELTIF-VO betrifft grüne Anleihen. Diese können nach der ELTIF-VO zulässige Vermögenswerte für ELTIF darstellen. Die konkreten Voraussetzungen müssen noch auf dem Verordnungswege erlassen werden, eine Entwurfsfassung wurde bereits veröffentlicht.

Fazit

Die ELTIF-Reformvorschläge erscheinen durchaus vielversprechend, da sie die Flexibilität von ELTIF erhöhen und zudem den aufsichtsrechtlichen Rahmen rund um ELTIF vereinfachen und damit hoffentlich handhabbarer für die Praxis machen.