MiCAR und NFT – eine Kontroverse


Auf einer Blockchain-Veranstaltung fasste ein Vertreter der BaFin es zum Ende einer kontroversen Diskussion kürzlich zutreffend zusammen: „NFT sind weder generell von der MiCAR ausgenommen, noch fallen NFT stets in den Anwendungsbereich. Maßgeblich bleibt die konkrete Ausgestaltung im Einzelfall.“ Die aktuelle nun veröffentlichte Entwurfsfassung der MiCAR (Stand: 5. Oktober 2022) greift das Thema „NFT“ (Non-Fungible Token) explizit auf. Absolute Klarheit schafft der Entwurf jedoch nicht; insofern ist es zu begrüßen, dass die BaFin angekündigt hat, demnächst ein Hinweisschreiben als Auslegungshilfe zum Thema NFT zu veröffentlichen.

1. Nur „non-fungible“ Token sind nicht von der MiCAR erfasst

Als „Non-Fungible Token“ (NFT) werden allgemein kryptographische Token bezeichnet, die einzigartig und nicht untereinander austauschbar sind. Ihnen fehlt die Fungibilität, d.h. die Standardisierung, um eine hinreichende Kapitalmarktfähigkeit zu begründen. Beispielhaft nennt MiCAR digitale Kunst oder „Collectibles“. Selbst wenn solche einzigartigen Token gehandelt würden und damit einen beschränkten finanziellen Anreiz bieten können, seien die Risiken für die Nutzer und den Markt aufgrund der fehlenden Austauschbarkeit begrenzt. Dieser Ansatz ist zu begrüßen und zugleich richtig, denn bereits heute werden Güter wie Kunst oder Wein gehandelt, ohne diesen Handel der aufsichtsrechtlichen Regulierung zu unterstellen. Die „Tokenisierung“ als solche darf nicht zur Regulierung führen. Zutreffend bezeichnete die BaFin dies mit der Aussage „Kunst bleibt Kunst“.

Die ursprüngliche Konzeption von NFT als „einzigartig“ entspricht vielfach nicht immer der Praxis. Oftmals werden NFT angeboten, bei denen nicht jeder einzelne Token einzigartig ist, sondern eine bestimmte Anzahl gleicher Token existiert. Insoweit stellt sich die Frage, ob solche Formen von NFT von MiCAR umfasst sind.

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 MiCAR gilt MiCAR grundsätzlich für sämtliche Kryptowerte, die eine digitale Darstellung eines Wertes oder eines Rechts enthalten, die elektronisch übertragen und gespeichert werden kann, unter Verwendung der DLT- oder ähnlicher Technologie (Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 MiCAR). Eine Ausnahme gilt für einzigartige und nicht untereinander austauschbare Token (Art. 2 Abs. 2a MiCAR). Hiervon macht die MiCAR in den Erwägungsgründen allerdings eine Rückausnahme. Laut Erwägungsgrund 6c der MiCAR sollen Teile (fractional parts) solcher einzigartigen NFT nicht selbst als einzigartig bzw. non-fungible gelten. Das gilt insbesondere für die Ausgabe von „großen Serien“ oder „Kollektionen“ von NFT, die dieselben Eigenschaften aufweisen. Dies sei laut Erwägungsgrund 6c S. 2 MiCAR vielmehr ein Indikator für die Fungibilität der Token. Eine Legaldefinition dieser Begriffe enthält die MiCAR jedoch nicht. Als Beispiel führt sie lediglich aus, dass eine unterschiedliche Identifikationsnummer nicht genüge, um einen Token einzigartig zu machen. Soweit hingegen lediglich wenige (identische) NFT existieren, dürfte es sich noch nicht um eine große Serie im Sinne der MiCAR handeln. Hier bleibt jedoch unklar, ab wann eine Serie als groß genug angesehen wird, um als fungibel zu gelten und in den Anwendungsbereich der MiCAR zu fallen.

Auch die Frage, wann genau eine Kollektion vorliegt, ist offen. Es kann jedenfalls sein, dass keine große Serie vorliegt, aber die Ausgabe der NFT als Kollektion eingestuft und damit von der MiCAR umfasst wird. Hier dürfte der Einzelfall entscheidend sein. Die MiCAR versucht offensichtlich einen Spagat zwischen Einbeziehung und Ausschluss von NFT im Bewusstsein, dass es eine Vielzahl unterschiedlich gestalteter NFT gibt. Dabei bleibt der Europäische Verordnungsgeber jedoch eine Definition der selbst eingeführten Begriffe große Serie und Kollektion schuldig. Insoweit bleiben Unsicherheiten bei der Beantwortung der Frage, wann die Grenze zum „fungible“ Token überschritten wird. Bei der Auslegung sollten die Aufsichtsbehörden Hilfestellung geben.

2. Erleichterungen für Utility Token & Token für begrenzte Händlernetzwerke

Utility Token im Sinne der MiCAR sind Token, die lediglich dazu dienen, Zugang zu einer Ware oder Dienstleistung zu erhalten, die vom Herausgeber der Token angeboten werden. Solche Utility Token sind (weitgehend) vom Anwendungsbereich der MiCAR ausgenommen, wenn sie sich auf eine bereits existierende Ware oder Dienstleistung beziehen. In diesem Fall kommt dem Utility Token lediglich eine (digitale) Gutschein-Funktion zu.

Utility Token beziehen sich definitionsgemäß nur auf Waren/Dienstleistungen, die vom Herausgeber der Token angeboten werden. Neben solchen Utility Token finden in der MiCAR auch Token Erwähnung, die lediglich in einem begrenzten Netzwerk von Händlern oder Dienstleistern für den Bezug von Waren oder Dienstleistungen einsetzbar sind (dies auf der Grundlage einer Vereinbarung mit dem Anbieter der Token). Diesen Token kommt ebenfalls eine Gutschein-Funktion zu und sie werden aus dem Anwendungsbereich der MiCAR herausgenommen. Warum die MiCAR hierbei unterscheidet und den Begriff der Utility Token derart beschränkt, ist nicht ersichtlich.

Im Unterschied zu NFT gelten diese Ausnahmen vom Anwendungsbereich der MiCAR nach den Erwägungsgründen jedoch nicht für solche Gutschein-Token (Utility Token und Token für begrenzte Händlernetzwerke), die auf einer Handelsplattform gehandelt werden können bzw. wenn ein solcher Handel beabsichtigt ist. Allein die (beabsichtigte) Handelbarkeit soll zur Anwendbarkeit der MiCAR in diesen Fällen führen.

In den Regelungen der MiCAR sind diese Erwägungsgründe wie folgt umgesetzt:

  • In Art. 4 Nr. 2 der MiCAR werden Utility Token und Token für den Einsatz für begrenzte Händlernetzwerke vom Titel II der MiCAR (betrifft u.a. die Regelungen zum Krypto-Whitepaper) ausgenommen (siehe unseren Beitrag zum Krypto-Whitepaper hier). Nach Art. 4 Nr. 2c MiCAR gilt dies jedoch nicht, wenn der Anbieter oder Dritte, die im Auftrag des Anbieters handeln, die Absicht zur Handelbarkeit der Token kommunizieren.
  • Für die Anwendbarkeit der Erlaubnispflichten enthält Art. 4 Nr. 2a MiCAR eine entsprechende Ausnahme. Danach bedarf die Verwahrung und Verwaltung sowie die Übertragung von Utility Token und solchen Token für den Einsatz für begrenzte Händlernetzwerke keiner Erlaubnis. Diese Ausnahme gilt jedoch wiederum u.a. nicht, wenn die Token auf einem Handelsplatz zugelassen sind. Anders als die Erwägungsgründe vermuten lassen, wird hier auf die tatsächliche Handelbarkeit und nicht lediglich auf die beabsichtigte Handelbarkeit abgestellt. Ob das so gewollt ist, ist fraglich.

3. Fazit

Ob und in welchem Umfang ein Token unter die MiCAR fällt, hängt entscheidend von den Eigenschaften des jeweiligen Tokens ab. Hier ist eine genaue Analyse im Einzelfall erforderlich. Auf die Bezeichnung des Tokens kommt es dabei nicht an („substance over form“).

Eindeutig ausgeschlossen von der MiCAR sind nur wirklich einzigartige NFT. Viele der aktuell als NFT angebotenen Token wären von der MiCAR demnach umfasst, weil diese üblicherweise in einer Anzahl von gleichartigen Token herausgegeben werden.

Für Token mit Gutschein-Funktion sieht die MiCAR Erleichterungen bzw. Ausnahmen vor. Die Handelbarkeit der Token auf Handelsplattformen bzw. die entsprechende Absicht schließt diese Erleichterungen – anders als im Fall von NFT – jedoch (weitgehend) aus.