Sehnlichst erwartet – Referentenentwurf zur Einführung elektronischer Wertpapiere veröffentlicht


Die Öffnung des deutschen Rechts für elektronische Wertpapiere war eines der Ziele, die sich die Bundesregierung mit ihrer Blockchainstrategie bis Ende 2021 auf die Fahnen geschrieben hatte. Mit dem entsprechenden Referentenentwurf des BMJV und des BMF wird nun die Umsetzung dieses Vorhabens in die Wege geleitet.

Es ist bereits mehr als ein Jahr her, dass die Bundesregierung ihre Blockchainstrategie veröffentlichte. Große und spannende Vorhaben zur Digitalisierung der deutschen Wirtschaft wurden angekündigt, eines davon sollte die Öffnung des deutschen Rechts für elektronische Wertpapiere beinhalten.

Bisher müssen Wertpapiere in einer physischen Urkunde verbrieft sein, die auch für die sachenrechtliche Übertragung als Anknüpfungspunkt dient. Auch wenn der Handel mit Wertpapieren heute fast ausschließlich elektronisch erfolgt und kaum ein Wertpapierinhaber noch seine gekauften Wertpapiere physisch in der Hand halten kann, so ist Grundlage dennoch stets eine physische Wertpapierurkunde, die von einer Depotbank in Verwahrung genommen wurde. Mit dem gemeinsamen Referentenentwurf des BMJV und des BMF eines Gesetzes zur Einführung elektronischer Wertpapiere („eWpG“) soll nun auch der letzte Schritt „weg vom Papier“ hin zur Digitalisierung der Emission und des Handels mit Wertpapieren erfolgen. Der Entwurf stieß auf zu erwartende große Resonanz – 32 Stellungnahmen von u.a. Deutscher Kreditwirtschaft, über den Blockchain Bundesverband, bitkom, Hochschulen, Unternehmen bis hin zu Einzelpersonen sind veröffentlicht worden (hier).

Anwendungsbereich

Anders als die Bezeichnung des Gesetzesentwurfs es vermuten lässt, soll die elektronische Form allerdings nicht für alle Wertpapierarten eingeführt, sondern sich zunächst auf Inhaberschuldverschreibungen, d.h. Fremdkapitalwertpapiere, beschränken. Begründet wird dies unter anderem mit komplexeren Problemen, die sich etwa bei elektronischen Aktien auch im Hinblick auf das Gesellschaftsrecht ergeben würden.

Zudem sollen die neuen Regelungen des eWpG das bisherige Regulierungsregime nicht ersetzen, sondern vielmehr eine neue Option schaffen, die alternativ zur „klassischen“ Begebung von Inhaberschuldverschreibungen genutzt werden kann. Es ist vorgesehen, dass auch im Nachhinein noch ein Wechsel zwischen elektronischem und „klassischen“ Wertpapier erfolgen kann, d.h. es soll sowohl ein elektronisches Wertpapier durch eine klassische Urkunde, als auch eine Urkunde durch ein elektronisches Wertpapier ersetzt werden können.

Eintragung in ein elektronisches Register

Die Begebung eines elektronischen Wertpapiers soll durch Eintragung in ein elektronisches Wertpapierregister erfolgen. In dieser Hinsicht stehen dem Emittenten zwei Formen des elektronischen Registers zur Verfügung:

Einerseits ein zentrales elektronisches Register nach dem Vorbild klassischer Zentralverwahrer (§ 12 eWpG), andererseits aber auch ein sog. dezentrales Kryptowertpapierregister (§ 16 eWpG), mit dem der rechtliche Rahmen für die Nutzung der Distributed Ledger Technologie geschaffen werden soll. Bekanntester Anwendungsbereich der Distributed Ledger Technologie ist die sog. Blockchain-Technologie. Wird letztere Variante zur Verwahrung gewählt, handelt es sich bei den elektronischen Wertpapieren um sog. Kryptowertpapiere.

Die Führung elektronischer Register soll zukünftig als eine Art Sonderform des Depotgeschäfts der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegen.

Wesen der elektronischen Wertpapiere

Das eWpG sieht zahlreiche zivilrechtliche Regelungen vor, die den Besonderheiten des elektronischen Wertpapiers Rechnung tragen sollen. Bisher bestand in der Literatur noch weitgehende Uneinigkeit darüber, wie beispielswiese die Übertragung eines elektronischen Wertpapiers erfolgen könnte;  als Lösung vertreten wurden neben einer Übertragung nach sachenrechtlichen Grundsätzen auch die Übertragung im Wege der Abtretung oder sogar die Übertragung als bloßer Realakt. Diese Debatte scheint mit dem eWpG nun zugunsten der Übertragung nach sachenrechtlichen Grundsätzen gelöst zu sein: Das elektronische Wertpapier soll unter anderem als Sache iSd. § 90 BGB behandelt werden und kraft gesetzlicher Fiktion dieselbe Rechtswirkung wie ein urkundlich verbrieftes Wertpapier entfalten.

Das eWpG enthält zudem weitergehende Regelungen im Hinblick auf einen gutgläubigen Erwerb elektronischer Wertpapiere und Publizitätsvorschriften im Hinblick auf das elektronische Register. So wird vermutet, dass derjenige, der im Register als Inhaber des elektronischen Wertpapiers eingetragen ist, auch tatsächlich Eigentümer ist. Der Emittent wird dementsprechend auch durch Leistung an den im Register als Eingentümer genannten von seiner Leistungspflicht befreit.

Fazit und Ausblick

Auch wenn sich der aktuelle Referentenentwurf noch auf Inhaberschuldverschreibungen beschränkt, ist dieser dennoch als erster Schritt hin zur Digitalisierung des Wertpapierrechts zu begrüßen. Die Komplexität der aktienrechtlichen Probleme sollte nicht unterschätzt werden und eine ausgereifte Lösung ist hier allemal gegenüber einer schnellen, möglicherweise unzureichenden und damit letztlich eher nachteiligen Lösung vorzugswürdig.

Bis zur Annahme des Gesetzes durch den Bundestag dürfte es noch ein wenig dauern – derzeit wurde der Entwurf noch nicht im Bundestag behandelt. Eventuell möchte man hier zunächst die zahlreichen Stellungnahmen zu dem Referentenentwurf sichten und noch letzte Änderungen vornehmen, bevor das parlamentarische Verfahren eröffnet wird.

Mit Fortschritten im Verfahren kann wohl erst Anfang 2021 gerechnet werden – ob noch ein Inkrafttreten vor der Bundestags Sommerpause und den anschließenden Bundestagswahlen erwartet werden kann, scheint derzeit zweifelhaft. Wir werden darüber in jedem Fall weiter berichten!