Debt Funds als alternative Finanzierungsmöglichkeit in der Corona-Krise – Lichtblick für junge FinTechs?


3. Juni 2020

Insbesondere junge FinTechs stehen aktuell vor der – zum Teil existenziellen – Frage, woher sie Gelder (zu akzeptablen Konditionen) zur Überbrückung finanzieller Engpässe und/oder Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells erhalten können. Da sie häufig noch keine Gewinne erwirtschaften und selten relevante Kredit-Sicherheiten anbieten können, kommen solche Start-Ups oftmals weder für staatliche Hilfskredite noch übliche Bankkredite in Frage. Doch selbst wenn die FinTechs in der aktuellen Corona-Krise Darlehen erhalten, sind die starren Aus- und Rückzahlungsbedingungen auf lange Sicht eine schwere Bürde, unter der wirtschaftliche Flexibilität und Innovation der jungen Unternehmen stark leiden können. Eine (in Deutschland) noch gar nicht so lange bestehende Finanzierungsmöglichkeit könnte nun besonders attraktiv werden: Alternative Investmentfonds („AIF“), die – außerhalb des Bankensektors – Darlehen an FinTechs vergeben.

Während Darlehen vergebende Investmentfonds, insbesondere AIF, anderswo – wie etwa in den USA und Luxemburg – bereits gang und gäbe sind, gab es für deutsche AIF bis 2016 keinen gesetzlichen Rahmen für die Vergabe von Darlehen durch AIF; vielmehr war dies als erlaubnispflichtiges Kreditgeschäft im Sinne des Kreditwesengesetzes („KWG“) alleinige Aufgabe von Banken. AIF mussten sich daher lange Zeit mit einer Fronting-Bank, die unter Nutzung ihrer BaFin-Erlaubnis Darlehen vergab und die Darlehensforderung anschließend an den AIF verkaufte, behelfen.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin“) hatte bereits Mitte 2015 ihre bisherige Verwaltungspraxis, wonach die Vergabe von Darlehen durch AIF grundsätzlich unzulässig war, aufgegeben. Der gesetzliche Rahmen folgte etwas später: Mit Umsetzung der Richtlinie 2014/91/EU (OGAW-V-Richtlinie) schuf der deutsche Gesetzgeber im Jahr 2016 eine Möglichkeit im Kapitalanlagegesetzbuch („KAGB“), wonach auch bestimmte AIF ohne eine Bankerlaubnis Darlehen unmittelbar an Unternehmen vergeben dürfen. Dies beruhte maßgeblich auf der Erwägung, dass AIF so insbesondere in Krisen-Zeiten einen wichtigen Beitrag für die Finanzierung von Unternehmen leisten können, die aus verschiedenen Gründen (z.B. noch fehlende Gewinne, keine Sicherheiten) keine Bank-Kredite erhalten… als hätte man Corona vorausgeahnt.

Aufsichtsrechtliche Vorgaben für Kreditfonds

Darlehensvergabe durch Kreditfonds ist nicht völlig unreguliert. Das KAGB stellt sowohl an den AIF bzw. deren Investoren, die Kapitalverwaltungsgesellschaft / Alternative Investment Fund Manager („KVG“ oder „AIFM“) als auch an die zu vergebenden Darlehen gewisse Anforderungen.

Anforderungen an AIF bzw. deren Investoren

Zunächst dürfen Darlehen grundsätzlich nur (für Rechnung) von Spezial AIF vergeben werden, also solchen, an denen ausschließlich

  • professionelle Anleger (zB Banken Versicherungen oder Börsenhändler) und/oder
  • semi-professionelle Anleger (zB Privatanleger, die mindestens EUR 200.000 investieren, eine sog. “Kompetenzerklärung” abgeben, in der sie erklären, dass sie sich der Risiken der Investition bewusst sind und die der AIFM nach Prüfung zu bestätigen hat)

beteiligt sind.

Anforderungen an AIFM

AIFM, die Spezial AIF verwalten und für deren Rechnung Darlehen vergeben, müssen weitergehende Anforderungen erfüllen. Dies ist unabhängig davon, ob es sich um AIFM mit einer Vollerlaubnis oder „kleine“ AIFM, die lediglich bei der BaFin registriert sind und grundsätzlich erheblich weniger Voraussetzungen zu erfüllen haben (De Minimis AIFM), handelt. Für De Minimis Spezial AIFM gelten die nachfolgenden Anforderungen also nur dann, wenn sie für Rechnung der von ihnen verwalteten Spezial AIF Darlehen vergeben:

  • allgemeine Verhaltensregeln – insbesondere
    • handeln im ausschließlichen Interesse der Anleger / Gleichbehandlungsgebot aller Anleger
    • Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten
  • Liquiditäts- und Risikomanagement
    • Liquiditätsmanagementsysteme und -verfahren; Dokumentation, Überprüfung, Anpassung; Liquiditätslimits und Stresstests
    • Aufbau- und Ablauforganisation hinsichtlich Kreditbearbeitung (zB Funktionstrennung und Votierung) und Früherkennung von Risiken
  • Dokumentations- und Meldepflichten (zB Meldung von Millionenkrediten an Deutsche Bundesbank)

Anforderungen an Darlehen

Bei den Darlehen richten sich die Vorgaben danach, ob sie an Dritte oder an Unternehmen, an denen der Spezial-AIF beteiligt ist („Gesellschafterdarlehen“) vergeben werden sollen.

Darlehen an Dritte

  • Spezial-AIF selbst darf Darlehen nur bis 30 % seines Investitionskapitals aufnehmen (interner Leverage)
  • Darlehen an einzelnen Darlehensnehmer darf höchstens 20 % des Investitionskapitals betragen;
  • keine Verbraucherkredite

Gesellschafterdarlehen

Soweit neben Darlehen an Dritte auch Gesellschafterdarlehen vergeben werden sollen, gilt für diese Folgendes:

  • können 50 % des Investitionskapitals für Vergabe von Gesellschafterdarlehen verwendet werden, sofern eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt:
    • Darlehensnehmer ist Tochtergesellschaft des AIF, oder
    • es wird lediglich ein Nachrangdarlehen vergeben, oder
    • Höhe des Gesellschafterdarlehens übersteigt nicht das Zweifache der Anschaffungskosten der jeweiligen Beteiligung
  • im Fall von qualifiziert nachrangigen Darlehen kann 50 %-Grenze überschritten werden, solange AIF 30%-Grenze für Darlehensaufnahmen einhält

Vorteile von Kreditfonds gegenüber Banken – Ausblick

Gerade für De Minimis Spezial AIFM kommen zu der ansonsten überschaubaren Regulierung lediglich gewisse Organisations- und Dokumentationspflichten hinzu. Auch wenn sie dazu verpflichtet sind, die mit vergebenen Darlehen verbundenen Risiken einzuordnen, können sie auch dort aktiv werden, wo Banken dankend abwinken.

In der aktuellen Corona-Krise zeigt sich besonders, wie wichtig die flexible Finanzierung außerhalb des für Banken geltenden, engen aufsichtsrechtlichen Korsetts ist. Aber auch nach Corona dürften Kreditfonds für die Kapitalbeschaffung insbesondere junger Unternehmen immer häufiger in Frage kommen, lassen sie sich doch mangels eigenkapitalmäßiger Beteiligung des AIF an ihnen keine Stimmrechte abzwacken, erhalten aber (mittelbar) gleichwohl Kapital von an der Entwicklung junger Unternehmen interessierten Investoren.

Nicht zu erwarten ist allerdings, dass die Kreditvergabe durch Banken völlig an Bedeutung verlieren wird. Diese bieten nämlich – in ruhigen Zeiten – grundsätzlich günstigere Konditionen an, vor allem wenn es um bereits etablierte Unternehmen geht. Aus diesen Gründen werden Banken und Kreditfonds wohl in Zukunft gemeinsam den Kapitalbedarf befriedigen, aber mit durchaus unterschiedlichen Zielgruppen.