ICOs/STOs/Token – neues Hinweisschreiben der BaFin bietet praktische Handhabe


Nach wie vor bestehen Unsicherheiten hinsichtlich der (aufsichts-)rechtlichen Einordnung von Token. Doch auch in praktischer Hinsicht stand bislang in den Sternen: Was prüft die BaFin denn eigentlich, wenn sie einen Initial Coin Offering („ICO“) bzw. Security Token Offering („STO“) bzw. Token-basierte Dienstleistungen beurteilt? Welche Unterlagen müssen Beteiligte der BaFin vorlegen, um ihr Vorhaben untersuchen zu lassen? Auf diese Ungewissheit hat die BaFin mit ihrem neuesten Merkblatt vom 16. August 2019 („Merkblatt“) reagiert. Das Merkblatt bringt inhaltlich hinsichtlich der regulatorischen Einordnung von ICOs/STOs/Token und der diesbezüglichen Verwaltungspraxis der BaFin keine wesentlichen Neuerung mit sich, auch wenn es erstmals konsolidierte Stellungnahme zu Prospekt- und Erlaubnispflichten beinhaltet. Allerdings liefert die BaFin mit dem Merkblatt erstmals eine praktische Handhabe, die es Markt-teilnehmern erleichtern soll, Ihr Vorhaben aufsichtsrechtlich einschätzen zu lassen.

A.         Rundum-Information – Merkblatt äußert sich grundlegend zu Prospekt- und Erlaubnispflichten

Bislang hatte die BaFin sich eher auszugsweise zur Regulierung von ICOs/STOs bzw. Token geäußert. In erster Linie ging es meist schlicht um die mögliche Einstufung als Wertpapier, Vermögensanlage, Investmentfonds-Anteil und/oder anderweitiges Finanzinstrument im Sinne des Kreditwesengesetzes („KWG“); aufsichtsrechtliche Folgen – insbesondere mögliche Prospekt- bzw. Erlaubnispflichten – wurden nur angerissen.

Das Merkblatt ist nun konkret unterteilt in Prospekt- und Erlaubnispflichten – und die aufsichtsrechtliche Einordnung von ICOs/STOs/Token ist jeweils darin eingebettet.

So wird insbesondere der Unterschied zwischen

  • einer Prospektpflicht nach der europäischen Prospektverordnung (EU) 2017/1129 („ProspektVO“) und dem (deutschen) Wertpapierprospektgesetzes („WpPG“) bzw. Vermögensanlagengesetz („VermAnlG“) und
  • der Erlaubnispflicht nach dem KWG, dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz („ZAG“) oder dem Kapitalanlagegesetzbuch („KAGB“)

herausgestellt.

B.         Token-Kategorien

Nach wie vor unterscheidet die BaFin folgende Kategorien von Token:

  • Token, die Zugriff auf bestimmte Dienstleistungen oder Produkte erlauben – wie eine Eintrittskarte oder ein Gutschein („Utility Token“);
  • Token, die (wie Bitcoin) vom Anbieter als alternatives Zahlungsmittel beabsichtigt sind („Payment Token“); sowie
  • Token, deren Inhabern mitgliedschaftliche Rechte oder schuldrechtliche Ansprüche vermögenswerten Inhalts zustehen sollen, die mit denen eines Aktionärs oder Inhabers eines Schuldtitels vergleichbar sind, weil sie einen Anspruch auf Dividenden-/Rückzahlung, Verzinsung und/oder Mitbestimmungsrechte gewähren („Security Token“).

C.         Prospektpflicht

I.          Wertpapier oder Vermögensanlage?

Erneut macht die BaFin Ausführungen zur möglichen Prospektpflicht infolge der Einordnung eines Tokens als Wertpapier oder Vermögensanlage – und dies sehr strukturiert und unter Einbindung ihrer Verwaltungspraxis, wodurch das Merkblatt insgesamt recht anwenderfreundlich und praktisch greifbar(er) ist:

Wie schon in ihrem Hinweisschreiben aus Februar 2018 und ihrem Beitrag aus August 2018 geht die BaFin dabei weiterhin davon aus, dass ein Token folgende Voraussetzungen erfüllen muss, um als Wertpapier iSd ProspektVO bzw. des WpPG zu qualifizieren:

  • Übertragbarkeit
  • Handelbarkeit
  • nicht: Verbriefung
  • Verkörperung wertpapierähnlicher Recht

(siehe auch unseren früheren Beitrag).

In diese Voraussetzung bettet die BaFin geschickt die Abgrenzung von Wertpapieren zu Vermögensanlagen ein und legt dabei ein Stück Verwaltungspraxis offen, welches bislang so nicht ausdrücklich Inhalt vorheriger Publikationen der BaFin war.

Übertragbarkeit

Übertragbarkeit soll vorliegen, wenn der Token aus andere Nutzer übertragen werden kann, ohne dass er sich in seinem Wesensgehalt verändert. Bei Token, die auf einem gängigen Standard (z.B. ERC-20) beruhen, ist dies stets zu bejahen.

Handelbarkeit

Handelbarkeit setzt voraus, dass die Token mit gleichen Rechten ausgestattet, also in gewissem Maße standardisiert sind.

Verbriefung nicht erforderlich

Die BaFin stellt – an mehreren Stellen des Merkblattes – klar, dass sie einem aufsichtsrechtlichen Wertpapierbegriff folgt. Dies hat insbesondere zur Folge, dass eine Verbriefung der Token keine Voraussetzung für deren Einordnung als Wertpapier ist. Es reicht vielmehr aus, dass die Tokeninhaber sowie die in dem Token verkörperten Rechte dokumentiert sind – und hierzu genügt die Blockchain-Technologie.

Wertpapierähnliche Rechte

Die Ausführungen zu den wertpapierähnlichen Rechten, die ein Token verkörpern muss, um als Wertpapier eingeordnet zu werden, sind zwar nicht neu: Wie bereits mehrfach zuvor von der BaFin betont, können wertpapierähnliche Rechte sowohl vermögensmäßige Rechte als auch mitgliedschaftliche Rechte sein. Die BaFin zeigt aber im Merkblatt, dass sie tief(er) in die Welt der Token eingestiegen ist. Sie liefert brauchbare Ausführungen zu Token und konkret auf diese bezogene Beispiele.

So liege etwa ein vermögensmäßiges Recht dann vor, wenn die Rückzahlung eines eingesetzten Vermögens zum Laufzeitende des Token oder regelmäßige, mit der Inhaberschaft am Token verbundene Zahlungen aufweist. Mitgliedschaftliche Rechte kämen in Frage, sofern der Token einer Dividendenzahlung vergleichbare Ansprüche (auch in Form weiterer, zusätzlicher Token) enthält oder mittels des Token die Einflussnahme auf mit den ICOs in Verbindung stehende Unternehmen ermöglicht.

Abgrenzung zur Vermögensanlage – „Wertpapier eigener Art (sui generis)“

Neu sind die Äußerungen der BaFin zu ihrer Verwaltungspraxis zur Abgrenzung Einordnung von Token als Wertpapier in direkter Abgrenzung zur Vermögensanlage – die BaFin spricht hier von Tokenisierung von Vermögensanlagen.

Insoweit führt die BaFin aus, dass klassische Vermögensanlagen nach dem VermAnlG grundsätzlich nicht als Wertpapiere nach der ProspektVO oder dem WpPG einzuordnen seien. Hintergrund sei, dass klassische Vermögensanlagen in puncto Übertragbarkeit, Standardisierung und Handelbarkeit gerade nicht den Wertpapieren ähnelten.

Die Blockchain-Technologie ändere diese Auffassung allerdings: Durch die „Tokenisierung“ eines Instruments werde dieses übertragbar und an Finanzmärkten handelbar gemacht. Verkörpere dieses Instrument dann aktienähnliche bzw. mitgliedschaftliche Rechte oder schuldrechtliche Ansprüche vermögenswerten Inhalts, die denen eines Aktieninhabers oder Inhabers eines Schuldtitels vergleichbar sind, so stelle ein solches Instrument bzw. ein solcher Token ein Wertpapier eigener Art (sui generis) dar.

II.         Öffentliches Angebot im Inland

Zum Begriff des öffentlichen Angebots im Inhalt stellt die BaFin lediglich noch einmal klar, dass dieses voraussetze, dass in Deutschland ansässige Anleger angesprochen würden („Inlandsbezug“).

Auch hierbei bleibt die BaFin allerdings praxisnah und „ICO-/STO-orientiert“, indem sie nicht sämtliche Indizien (z.B. deutsche Sprache, deutsche Ansprechpartner) nennt, die zur Bejahung des Inlandsbezug führen können, sondern knackig feststellt, dass ein unbeschränkt zugängliches Angebot im Internet grundsätzlich das Publikum auf der ganzen Welt anspreche und deshalb in solchen Fällen auch in Deutschland eine Prospektpflicht bestehe.

D.         Erlaubnispflichten nach KWG, ZAG oder KAGB

Auch betreffend mögliche Erlaubnispflichten fällt einem beim Lesen des Merkblattes nicht die Kinnlade runter. Aber auch hier bleibt die BaFin praxisnah: Sie gliedert ihre Ausführungen zum Einen in die Ausgabe von Token und nachgelagerte Dienstleistungen auf und nennt zum Anderen konkret und transparent die für beide Szenarien typischen/wichtigsten Tatbestände – samt Beispielen.

I.          Ausgabe der Token

Bezüglich der Ausgabe von Token macht die BaFin einen kurzen Abstecher in die drei relevanten Gesetzeswerke: KWG, ZAG, KAGB

KWG – Einlagengeschäft

Als Beispiel für das erlaubnispflichtige Einlagengeschäft nennt die BaFin den Fall, in dem ein Token-Emittent seine Token auch im Tausch gegen gesetzliche Zahlungsmittel (z.B: Euro oder Dollar) anbietet und den Käufern ein unbedingtes Rückzahlungsversprechen gibt – etwa dann, wenn er zusagt, die Token später mindestens zum Ausgabepreis zurückzukaufen.

ZAG – E-Geld-Geschäft

Ob ein Token-Emittent erlaubnispflichtiges E-Geld-Geschäft erbringt – diese Frage stellt sich immer wieder. Und hierzu liefert die BaFin keine theoretischen Ausführungen, sondern wird erfreulich konkret: Token, die

  • (auch) gegen gesetzliche Zahlungsmittel ausgegeben werden,
  • vom Emittenten wieder zurückgenommen oder gegen gesetzliche Zahlungsmittel umgetauscht werden und
  • von Dritten zur Bezahlung angenommen werden,

stellen E-Geld iSd ZAG dar.

KAGB – Fondsregulierung (Emittent als erlaubnispflichtiger Fondsmanager)

Immer dann, wenn Gelder eingesammelt werden, nach festgelegter Strategie angelegt und die Anleger an Gewinn und Verlust dieser Anlagetätigkeit beteiligt werden sollen, stellt sich die Frage, ob die Token nicht vielleicht als Anteile an einem Investmentvermögen iSd KAGB einzuordnen sind, der Token-Emittent deshalb ein Investmentvermögen darstellt und sich daher als Kapitalverwaltungsgesellschaft bei der BaFin registrieren oder eine Erlaubnis der BaFin beantragen muss.

Je nach Ausgestaltung eines ICO passiert genau das, was die BaFin beispielhaft aufführt: Über einen ICO bündelt der Emittent Anlegergelder – sei es in gesetzlicher oder virtueller Währung – und investiert diese in ein bestimmtes Vorhaben. Die Tokeninhaber werden an Gewinn und Verlust dieser Investition(en) beteiligt, indem sie Ausschüttungen erhalten oder der Emittent die Token zurückkauft. Sofern der Emittent (üblicherweise) kein außerhalb des Finanzsektors operativ tätiges Unternehmen ist, weil er z.B. eine Immobilie, in die er investiert hat, weder selbst betreibt noch als Projektentwickler tätig ist, spricht einiges dafür, dass er unter die Fondsregulierung fällt.

II.         Nachgelagerte Dienstleistungen

Ist ein Token in der Welt, können sich Erlaubnispflichten für Dienstleistungen in Bezug auf den Token ergeben, sofern es sich bei dem Token um ein Finanzinstrument iSd KWG handelt.

Finanzinstrument

Bislang enthält der Katalog der Finanzinstrumente im KWG keine eigenständige Rubrik für Token. Vielmehr können Token unter die bestehenden Klassen von Finanzinstrumenten fallen – oder eben nicht. Dies hängt von der Ausgestaltung der Token ab. Security Token können z.B. als Wertpapier oder Payment Token als Rechnungseinheit – und beide damit als Finanzinstrument qualifizieren. Reine Utility Token sind hingegen aus dem Schneider.

Der neue Regierungsentwurf („Regierungsentwurf“) (wir berichteten zuletzt hier) zur Umsetzung der fünften Anti-Geldwäscherichtlinie (EU) 2018/843 beinhaltet zwar zum ersten Mal die Definition von ,,Kryptowerten‘‘ als neues Finanzinstrument („Kryptowerte“). Bahnbrechende Änderungen dürften sich daraus allerdings nicht ergeben, da der Regierungsentwurf ausdrücklich nur Security und Payment Token, nicht aber Utility Token unter den Begriff der Kryptowerte fasst.

Erlaubnistatbestände

Stellt der Token ein Finanzinstrument dar, kommen diverse Erlaubnistatbestände in Betracht, von denen die BaFin fast (!) alle relevanten beispielhaft auflistet:

  • nachgelagerter Handel von Token am Sekundärmarkt – je nach Ausgestaltung Finanzkommissionsgeschäft, Emissionsgeschäft, Anlagevermittlung, Anlageberatung, Betrieb eines multilateralen oder organisierten Handelssystems, Platzierungsgeschäft, Abschlussvermittlung, Finanzportfolioverwaltung, Eigenhandel oder Anlageverwaltung
  • Verwahrung von Token – hier hat das Merkblatt eine Lücke…

Die Verwahrung von Token thematisiert das Merkblatt nicht. Dies verwundert, sieht doch der Regierungsentwurf eine entscheidende neue Finanzdienstleistung im Kryptobereich vor, das Kryptoverwahrgeschäft. Dieses wird definiert als

„die Verwahrung, die Verwaltung und die Sicherung von Kryptowerten oder privaten kryptografischen Schlüsseln, die dazu dienen, Kryptowerte zu halten, zu speichern oder zu übertragen, für andere“

Betreffen dürfte dies vor allem Wallet-Anbieter, deren Tätigkeit bislang nur als Depot- bzw. eingeschränktes Depotgeschäft (= Finanzdienstleistung) reguliert ist. (Eingeschränktes) Depotgeschäft setzt voraus, dass es sich bei den Token um Wertpapiere handelt – was auf eine Vielzahl der aktuell von Wallet-Anbietern verwahrten Token nicht zutreffen dürfte.

E.         Wie kann die BaFin weiterhelfen?

Es ist ja begrüßenswert, dass sich offensichtlich viele potenzielle ICO-/STO-Emittenten bzw. Dienstleister an die BaFin wenden, um zu erfahren, ob ihr Geschäftsmodell aufsichtsrechtlich relevant ist.

In der Regel geht es aber – das geht aus dem Merkblatt hervor – bei diesen Anfragen offensichtlich etwas drunter und drüber. Beispielhaft bezieht die BaFin sich hier auf die Bereitstellung von Informationen zum geplanten Geschäftszweck, zu den handelnden Personen und der technischen Ausgestaltung der Token (sog „White Paper“). Diese seien regelmäßig inhaltlich nicht umfassend und würden (auch aufgrund von Maßnahmen seitens der BaFin) im Verlauf einer Emission geändert;  diese Änderungen würden der BaFin aber nicht angezeigt. Die BaFin möchte die Betroffenen hier ein Wenig an die Hand zu nehmen. Mit dem Merkblatt liefert sie erstmals (!) konkrete, praktische Hinweise für Anfragen bzw. deren notwendigen Inhalt, um diese zügig bearbeiten zu können – insbesondere:

  • Die Betroffenen sollen sämtliche für die rechtliche Bewertung relevanten Dokumente (WhitePaper, General Terms and Conditions, Agreements) in verbindlicher Form einreichen.
  • Zudem fordert die BaFin eine rechtliche Selbsteinschätzung zur Einordnung der Token.
  • Sämtliche Änderungen sollen der BaFin unverzüglich mitgeteilt und die angepassten Unterlagen einschließlich der angepassten Selbsteinschätzung der BaFin übermittelt werden.

Das Merkblatt enthält sogar einen Anhang, der sehr genau vorgibt, wie Anfragen von Betroffenen strukturiert sein sollen. Und spätestens hier verrät einem das Merkblatt, dass die vor einiger Zeit eingerichtete FinTech-Abteilung der BaFin ihre Arbeit sehr gut macht: Die BaFin verlangt hier nämlich insbesondere detaillierte, auch technische, Beschreibungen des Tokens und schmeißt dabei sogar Begriffen wie „Buy-Back-Mechanism“ und „Burning / Deflation Mechanism“ um sich.

F.         Fazit

Nein, der Inhalt des Merkblattes ist sicher nichts komplett Neues und dringt auch rechtlich nicht in die Tiefen vor, um ein umfassendes Nachschlagewerk für Rechtsvertreter darzustellen.

Aber es zeigt, dass die BaFin nicht nur Interesse an der Thematik rund um ICOs/STOs/Token hat, sondern darüber hinaus durchaus gewillt ist, (seriösen) Marktteilnehmern hier unter die Arme zu greifen. Das Merkblatt spricht die gängigen Rechtsfragen, die einen ICO/STO bzw. Token begleiten, an und kann durchaus als sinnvoller, grober Leitfaden für Token-Emittenten bzw. -Dienstleister dienen.

Was man vermisst, ist ein – zumindest kurzes – Eingehen auf den Regierungsentwurf. Aber das Merkblatt wird sicherlich nicht das Letzte zu diesem Thema sein…