Digitalisierung des deutschen Wertpapierrechts – BMF und BMJV bereiten den Weg für elektronische Wertpapiere


Schon seit geraumer Zeit zeigt sich deutlich, wie stark der Finanzmarkt von technischen Entwicklungen wie der Blockchain-Technologie beeinflusst wird. Dadurch verändert sich nicht nur die Funktionsweise des Kapitalmarkts radikal. Vielmehr werden darüber hinaus auch neuartige Finanzierungsmöglichkeiten auf Grundlage der Blockchain für Unternehmen geschaffen.

Bekanntes Beispiel für die Etablierung von neuartigen alternativen Finanzierungsmöglichkeiten – insbesondere im internationalen Start-up und Fintech-Bereich – sind Initial Coin Offerings („ICOs“). In letzter Zeit ließ sich beobachten, dass vor allem eine spezielle Variante des ICOs, das Security Token Offering („STO“), an Beliebtheit gewonnen hat. Bei einem STO werden Security Token ausgegeben, die den Erwerbern mitgliedschaftliche oder schuldrechtliche Ansprüche gewähren. Aus diesem Grund sind Security Token oftmals Wertpapiere – vergleichbar mit Aktien oder Schuldtiteln.

Vom Trend der Tokenisierung hin zu elektronischen Wertpapieren

Insbesondere im Zusammenhang mit STOs ist eine viel vernommene Forderung die nach der Entmaterialisierung von Wertpapieren und der Schaffung eines digitalen Wertpapierregisters. Diese Diskussion wurde bislang unter dem Begriff der „Tokenisierung“ des (Wertpapier-)Rechts geführt. Unter Tokenisierung wird die Verkörperung von Rechten in Token statt in Urkunden verstanden, wobei die Token auf der Blockchain „registriert“ werden. Befürworter der Tokenisierung argumentieren, dass Security Token aufgrund ihrer technischen Eigenschaften mit denen einer Urkunde vergleichbar sind und diese Eigenschaften eine physische Verkörperung der Token obsolet machen.

Nun scheint sich auch der Gesetzgeber in Richtung nicht verkörperte, rein elektronische Wertpapiere zu bewegen. Deutlich wird dieser Paradigmenwechsel in dem am 7. März 2019 vom Bundesministerium der Finanzen („BMF“) und Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz („BMJV“) veröffentlichten Eckpunktepapier „Eckpunkte für die regulatorische Behandlung von elektronischen Wertpapieren und Krypto-Token – Digitale Innovationen ermöglichen – Anlegerschutz gewährleisten“ („Eckpunktepapier“).

Reform des zivilrechtlichen Wertpapierbegriffs

Derzeit setzt der zivilrechtliche Wertpapierbegriff grundsätzlich eine Verbriefung des Rechts in einer Urkunde voraus. Ausgenommen von dem Zwang der Verkörperung in einer Urkunde sind in Deutschland derzeit lediglich Bundesschuldverschreibungen. Diese können vom Bund in einem digitalen Bundesschuldbuch geführt werden. Der kapitalmarktrechtliche Wertpapierbegriff nach dem Wertpapierprospektgesetz („WpPG“) und dem Wertpapierhandelsgesetz („WpHG“) setzt hingegen keine „Verbriefung“ voraus.

Mit dem Eckpunktepapier geht das BMF und BMJV nun den ersten Schritt in Richtung einer Reform des materiellen Wertpapierrechts weg von zwingend verkörperten Wertpapieren hin zu der Option auch von unkörperlichen, ausschließlich elektronisch dokumentierten Wertpapieren.

Regulierungsumfang und Schaffung eines Wertpapierregisters

Zunächst wird die geplante neue gesetzliche Regelung nach dem Eckpunktepapier allerdings nur elektronische Schuldverschreibungen, also fremdkapitalbasierte Wertpapiere, erfassen. Die Regulierung von elektronischen Aktien wird hinten angestellt (auch aufgrund der wohl weitreichenden Änderungen des Aktienrechts).

Elektronische Fremdkapital-Wertpapiere sollen – ähnlich wie Bundesschuldverschreibungen – durch Eintragung in einem digitalen Register entstehen. Weiterhin – so der Vorstoß – könnten elektronische Wertpapiere kraft gesetzlicher Fiktion als Sachen anerkannt werden, so dass zivilrechtliche Vorschriften zur Eigentumsübertragung Anwendung finden könnten. In jedem Falle solle es aber eigenständige Regelungen zum Erwerb, Übertragung und Gutglaubensschutz von elektronischen Wertpapieren geben.

In Zukunft seien die Kernfunktionen des Wertpapiers (Legitimationsfunktion, Erfüllungswirkung, Übertragungsfunktion) statt durch die Verbriefung in einer Urkunde durch die Eintragung im einem Register sichergestellt. Die digitale Registerführung sei allerdings nur dann möglich, wenn die Eintragung auf der Blockchain auch tatsächlich die Feststellung des Inhabers (Authentizität) und die Unverfälschtheit des Wertpapiers (Integrität) ermögliche. Dies setze hohe Anforderungen an die Verlässlichkeit und Richtigkeit der Registerführung voraus, die daher staatlich oder unter staatlicher Obhut erfolgen solle. Zudem ersetze die Führung eines elektronischen Wertpapierregisters nicht die Verwahrung, sondern diene lediglich der Dokumentation von elektronischen Wertpapieren.

Anlegerschutz

Für die Gewährleistung des Anlegerschutzes bei der Führung eines „Digitalen Schuldverschreibungsregisters“ auf der Blockchain sieht das Eckpunktepapier mehrere Vorschläge vor, die entweder einzeln oder kumulativ in Betracht kommen könnten:

 

  • Blockchain-Schuldverschreibungen dürfen nur von institutionellen/qualifizierten Anlegern erworben werden, nicht von Privatanlegern
  • Privatanleger dürfen Blockchain-Schuldverschreibungen nicht direkt vom Emittenten oder einem anderen Anleger erwerben, sondern der Erwerb muss stets über einen zugelassenen und überwachten Intermediär erfolgen
  • Privatanleger dürfen Blockchain-Schuldverschreibungen zwar direkt vom Emittenten erwerben, diesen treffen aber spezielle Informations- und Dokumentationspflichten (z.B. Hinweis auf Risiken der Blockchain im Prospekt bzw. Wertpapier-Informationsblatt, jährlicher Registerauszug in Textform)

 

Die Anlegerschutzgedanken überzeugen nur teilweise.

Es widerspricht dem Grundgedanken alternativer Finanzierungsmöglichkeiten wie z.B. Crowdfunding oder ICO bzw. STO, dass elektronische Wertpapiere nur von institutionellen/qualifizierten Anlegern erworben werden können. Vielmehr ist es ist gerade die Kernidee dieser neuartigen Finanzierungsmodelle, dass ein weiter Kreis an Anlegern und insbesondere auch Privatanleger angesprochen werden können. Der Ausschluss von privaten Anlegern würde insbesondere der derzeitigen ICO-Praxis entgegenstehen und dürfte insoweit nicht praxistauglich sein.

Potential hingegen hat jedoch der Vorschlag, den Erwerb von elektronischen Wertpapieren durch Privatanleger zuzulassen, sofern durch den Emittenten dieser Wertpapiere spezielle Informations- und Dokumentationspflichten im Prospekt bzw. (bestenfalls ausreichend) Wertpapier-Informationsblatt erbracht werden. Dies wäre jedenfalls ein wichtiger Schritt zur Gleichsetzung des Anlegeschutzes im Vergleich mit klassischen Wertpapieren.

Zur Schaffung von Rechtssicherheit dürfte wohl auch der Vorschlag positiv zu werten sein, denjenigen, der das digitale Wertpapierregister führt, einer gemäßigten und sinnvollen Regulierung zu unterwerfen.

Auch in Bezug auf Utility Token werden Überlegungen für eine (europäische oder nationale) Regulierung angestellt. So könnte – so die Verfasser des Eckpunktepapiers – die Emission von Utility Token zukünftig national (als Brückenlösung bis zu einer europäischen Harmonisierung) einer Veröffentlichungs- und Gestattungspflicht eines VIBs unterliegen – durchaus ein vorstellbarer Weg einer dosierten Regulierung, der auch Anlegervertrauen verstärken könnte.

Schlussfolgerung

Im Allgemeinen ist die Schaffung von rechtlich anerkannten elektronischen (Fremdkapital-)Wertpapieren – wie von BMF und BMJV vorgesehen – zu begrüßen. Damit wird nun endlich der Digitalisierung des Wertpapierrechts der Weg bereitet und der notwendige Schritt weg von der physischen Verkörperung hin zu digitalen Wertpapieren getan. Wünschenswert ist jedoch eine praxistaugliche Regulierung, die kleinen und mittleren Unternehmen die Kapitalbeschaffung nicht zu kompliziert oder unmöglich macht und insbesondere die Ausgabe von elektronischen Wertpapieren an private Anleger ermöglicht.