Terra incognita: Initial Coin Offerings (ICOs) und das Steuerrecht


Mit der Möglichkeit, eigene virtuelle Währungen (Kryptowährungen) zu schaffen, können Crowdfunding-Projekte vom Hype um Bitcoin und Ethereum profitieren. Mit sogenannten ICOs, dem Initial Coin Offering, können Unternehmen Kapital beschaffen, indem sie eine eigene Kryptowährung erstellen und diese in Form von Coins oder Token zum Verkauf anbieten. Der Investor bekommt keine klassische Aktie, sondern investiert in eine Idee bzw. in eine geplante Umsetzung.

Ein ICO ist eine Art Börsengang, bei dem anstelle von Firmenanteilen sogenannte Token verkauft werden. Der Kauf solcher Token erfolgt üblicherweise gegen Bitcoin (btc) oder Ether (eth) und nicht in staatlicher Währung wie Euro oder US-Dollar. Das über einen ICO eingesammelte Geld soll die Finanzierung des Projektes sichern. So konnte das FinTech-Unternehmen Savedroid Anfang des Jahres über einen solchen ICO ca. 40 Millionen Euro einsammeln.

Virtuelle Währungen unterfallen grundsätzlich nicht der Definition eines Wertpapiers i.S.d. Wert­papier­prospekt­gesetzes. Für solche Token besteht daher i.d.R. keine Prospektpflicht nach dem Wert­papier­prospekt­gesetz. Zu der Regulierung im Einzelnen siehe Smith, Regulierung von ICOs (mehr dazu …).

Für die Finanzverwaltung und den Gesetzgeber ist die steuerrechtliche Behandlung von ICOs und damit im Zusammenhang stehender Geschäftsmodelle trotz der immer weiter steigenden Bedeutung bislang in vielen Bereichen „Work-in Progress“. Es fehlt an speziell darauf zugeschnittenen Steuerregeln. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich für die Beteiligten, insbesondere für den Initiator des ICOs, d.h. den Emittenten der Coins bzw. Token, und die Investoren keine steuerrechtlichen Konsequenzen ergeben. Im Gegenteil: Die meisten ICOs sind für alle daran Beteiligten steuerrechtlich relevant. Dabei gilt, dass die Art der ausgegebenen Token, d.h. die damit verknüpften Rechte des Investors und spiegelbildlich die daraus resultierenden Verpflichtungen des Emittenten, eine wesentlich Rolle spielen.

Zu einer der bekanntesten „Coins“ – den Bitcoins – hat sich das Bundesministerium der Finanzen („BMF“) jüngst für den Bereich der Umsatzsteuer geäußert und insoweit für gewisse Klarheit gesorgt (BMF-Schreiben v. 27.2.2018 (III C 3-S 7160-b/13/10001 [CAAAG-77700];). Die wesentlichen Aspekte werden nachfolgend dargestellt. Vorher erfolgt jedoch ein kurzer Überblick über mögliche Arten der im Rahmen eines ICOs ausgegebenen Token.

 

Welche Arten von Token für ICOs gibt es?

Bei einem ICO werden im Ergebnis Token veräußert. Die Token sind ein Datensatz. Sie können von dem ausgebenden Unternehmen flexibel gestaltet werden, d. h. mit ganz unterschiedlichen Rechten für den Investor verbunden sein. In der Praxis haben sich dabei folgende Hauptarten herausgebildet:

Beim Currency Token handelt es sich um eine virtuelle Währung. Bekannte Beispiele sind Bitcoin (btc) und Ether (eth).2. Bei einem Utility Token wird dem Kapitalgeber eine Funktion gewährt, die nicht als Zahlungsfunktion zu sehen ist, z. B. wird ihm der Download einer Software ermöglicht.3. Bei einem Investment Token dominiert die Investitionsfunktion. Die Ausgestaltung ist sowohl als Fremdkapital, aber auch als Eigenkapital möglich. Der Kapitalgeber erwartet im Fall eines positiven Verlaufs Zahlungen des Unternehmers, z. B. Zinsen, Dividenden oder sonstige Rechte an dem Unternehmen.

Bei einem Utility Token wird dem Kapitalgeber eine Funktion gewährt, die nicht als Zahlungsfunktion zu sehen ist, z. B. wird ihm der Download einer Software ermöglicht.

Bei einem Investment Token dominiert die Investitionsfunktion. Die Ausgestaltung ist sowohl als Fremdkapital, aber auch als Eigenkapital möglich. Der Kapitalgeber erwartet im Fall eines positiven Verlaufs Zahlungen des Unternehmers, z. B. Zinsen, Dividenden oder sonstige Rechte an dem Unternehmen.

 

Was ist umsatzsteuerlich für Bitcoins geklärt?

Bei Bitcoins handelt es sich um Currency Token. Sie werden von den Wirtschaftsteilnehmern als Zahlungsmittel akzeptiert und ihr Zweck ist auch darauf beschränkt. Umsatzsteuerlich war daher insbesondere fraglich, ob Bitcoins den gesetzlichen Zahlungsmitteln gleichzustellen sind. Darüber hinaus bereitete die umsatzsteuerrechtliche Einordung von Leistungen, die mit Bitcoins im Zusammenhang stehen, z.B. das „Mining“, das Zurverfügungstellen von Wallets, gewisse Schwierigkeiten.

 

Umtausch von Bitcoin

Für Umsätze im Zusammenhang mit gesetzlichen Zahlungsmitteln, z.B. Umtausch oder Handel, sieht das Umsatzsteuerrecht eine Steuerbefreiung vor (§ 4 Nr. 8 b) UStG). Die Umsatzsteuerbefreiung erstreckt sich dabei auch auf die Vermittlung. Nachdem der EuGH diese Frage unter Hinweis auf den Sinn und Zweck der Steuerbefreiung in der Sache „Hedqvist“ (EuGH-Urteil v. 22.10.2015 C-264/14) bejaht hat, hat nun auch das BMF seine anders lautende Ansicht „offiziell“ aufgegeben. Die erstmalige Ausgabe von Bitcoins im Rahmen eines ICOs sowie jeder spätere Umtausch in konventionelle Währungen und umgekehrt sind daher von der Umsatzsteuer befreit.

 

Zahlung mit Bitcoin

Die für eine erbrachte Leistung anfallende Umsatzsteuer bemisst sich nach dem Entgelt (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG). Wenn Bitcoins als Zahlungsmittel für den Kauf von Waren oder die Inanspruchnahme von sonstigen Leistungen eingesetzt werden stellt sich für den Leistenden die Frage, wie er die für seine Leistung anfallende Umsatzsteuer berechnen soll.

Dazu bestimmt nun das BMF, dass die erhaltenen Bitcoins zum letzten veröffentlichten Verkaufskurs in die gesetzliche Währung umzurechnen sind. Entsprechende Verkaufskurse seien z.B. Umrechnungsportalen im Internet zu entnehmen und zu dokumentieren. Auf dieser Grundlage ist dann auch die Umsatzsteuer für die erbrachte Leistung, z.B. für den Verkauf von Waren, zu berechnen.

 

Bereitstellen von Wallets

Bei Wallets handelt es sich um elektronische Geldbörsen. In ihnen werden Bitcoins des Investors aufbewahrt. Wenn der Anbieter dafür Gebühren verlangt, unterliegen diese Gebühren nach Ansicht des BMF der Umsatzsteuer, d.h. sie fallen nicht unter die Steuerbefreiung für Umsätze „im Zusammenhang mit gesetzlichen Zahlungsmitteln“.

 

Betreiben von Handelsplattformen für Bitcoins

Ein ICO und auch der spätere Handel mit Bitcoins werden i.d.R. über Plattformen abgewickelt. Dabei kann der Betreiber einer solchen Plattform unterschiedliche Rollen einnehmen: Er kann seine Plattform als Marktplatz für den Erwerb und die Veräußerung von Bitcoins zur Verfügung stellen oder aber als Mittelsperson in den Erwerb und die Veräußerung eingeschaltet sein. In beiden Fällen wird er für seine Leistungen ein Entgelt verlangen. Nach Ansicht des BMF ist hinsichtlich der Umsatzsteuerpflicht zwischen beiden Leistungen zu differenzieren.

Das bloße Zurverfügungstellen der Plattform wertet das BMF als Unterstützung zur technischen Abwicklung des Handels. Eine solche Leistung ist nach Ansicht des BMF nicht von der Umsatzsteuerbefreiung für Umsätze „im Zusammenhang mit gesetzlichen Zahlungsmitteln“ erfasst. Das dafür vereinnahmte Entgelt ist also umsatzsteuerpflichtig.

Ist der Betreiber der Plattform hingegen selbst in den Handel mit Bitcoins eingeschaltet, kommt die Steuerbefreiung für Umsätze mit gesetzlichen Zahlungsmitteln in Betracht. Denn diese schließt ausdrücklich die „Vermittlung“ derartiger Umsätze ein. Das für eine solche Leistung vereinnahmte Entgelt ist daher grds. umsatzsteuerfrei.

 

Mining

Das Umsatzsteuerrecht erfasst grds. nur Leistungen, die im Rahmen eines Leistungsaustausches erbracht werden. Kennzeichen des Leistungsaustausches ist ein wechselseitiger Zusammenhang zwischen der Leistung und der erhaltenen Gegenleistung, d.h. dem Entgelt. Zudem setzt ein Leistungsaustausch gedanklich einen identifizierbaren Leistungsempfänger voraus. Fehlt es daran, unterliegt der Vorgang nicht der Umsatzsteuer. Genau dies ist nach Auffassung des BMF beim „Mining“ der Fall.

Diese Verwaltungsarbeit ist als offener Rechnerwettbewerb konzipiert. Das System setzt dazu in bestimmten Zeitabständen „Preise“ in Form von Bitcoins frei, die dem aktuell besten Miner zugewiesen werden. Zusätzlich erhält der erfolgreiche Miner noch etwaige Bearbeitungsgebühren, die die Nutzer für die Verifizierung von Transaktionen entrichtet haben.

Beide Arten der „Entlohnung“ führen jedoch nicht dazu, dass die Miner aus umsatzsteuerrechtlichem Blickwinkel im Rahmen eines Leistungsaustausches tätig werden. Für die von den Minern erbrachten Leistungen fehlt es grds. an einem identifizierbaren Leistungsempfänger. Die Miner werden quasi für das System tätig. Daher unterliegen die von den Minern empfangenen Entlohnungen nach Ansicht des BMF nicht der Umsatzsteuer.

 

Was gilt umsatzsteuerlich für andere Token?

Für andere Currency Token gelten umsatzsteuerlich die dargelegten Grundsätze zur Behandlung von Bitcoins ebenfalls. Voraussetzung ist, dass die Token als vertragliches Zahlungsmittel zwischen Wirtschaftsteilnehmern akzeptiert sind und sich ihr Zweck auf die Zahlungsmittelfunktion beschränkt.

Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der anderen Tokenarten ist noch offen. So wird für Utility Token diskutiert, ob sie als Gutscheine zu qualifizieren sind. Für Gutscheine treten ab 1.1.2019 spezielle Regelungen in Kraft, die zwischen zwei Arten unterscheiden werden. Bei Investment Token stellt sich in erster Linie eine vergleichbare Frage wie bei Bitcoins: Ob sie mit Blick auf ihre Ausgestaltung entweder Anteilen an Gesellschaften oder Wertpapieren gleichzustellen sind und daher unter die entsprechende Umsatzsteuerbefreiung fallen (§ 4 Nr. 8 e) / f) UStG).

 

Das Fazit

Trotz des BMF-Schreibens besteht weiterhin Klärungsbedarf für die steuerrechtliche Behandlung von ICOs und damit zusammenhängender Tätigkeiten. Das gilt nicht nur für den Bereich der Umsatzsteuer, sondern auch für die Ertragsteuern. Ob die Ergebnisse der mit der ertragssteuerrechtlichen Behandlung befassten Arbeitsgruppe auf Bund-Länder-Ebene für Überraschungen sorgen werden, wird sich zeigen. Es bleibt jedenfalls spannend.