Rettung der Energiegenossenschaften durch Änderung der BaFin-Verwaltungspraxis – und auch ansonsten wird die Genossenschaft interessant


25. März 2015

Am 9. März 2015 hat die BaFin eine grundlegende Änderung ihrer Verwaltungspraxis zum Begriff des Investmentvermögens veröffentlicht. Genossenschaften werden nun „regelmäßig“ nicht als Investmentvermögen bewertet und fallen somit nicht in den Anwendungsbereich des Kapitalanlagengesetzbuches (“KAGB”).

Seit Inkrafttreten des KAGB im Juli 2013, welches in Deutschland die Alternative Investment Funds Manager Richtlinie (“AIFM-Richtlinie”) umgesetzt hat, waren auch Bürgerenergieprojekte/Energiegenossenschaften in den Sog des KAGB geraten. Es bestand das Risiko, dass sich derartige Projekte zukünftig nicht mehr lohnen könnten – aufgrund des bürokratischen und organisatorischen Aufwands, den eine BaFin-Erlaubnis bzw. -Registrierung verursachen würde.

Nun hat die BaFin klar Stellung bezogen und festgestellt, dass Genossenschaften „nach wertender Gesamtschau nach § 1 Abs. 1 GenG regelmäßig keine festgelegte Anlagestrategie verfolgen, sodass kein Investmentvermögen im Sinne des § 1 Abs. 1 KAGB vorliegt“.

A. Bisherige Verwaltungspraxis – das KAGB und Bürgerenergieprojekte

Aufgrund europarechtlicher Vorgaben geht das KAGB von einem so genannten materiellen Begriff des Investmentvermögens aus.

Das heißt, Organismen für gemeinsame Anlagen,

  • die von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammeln,
  • um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren und
  • die keine operativ tätigen Unternehmen außerhalb des Finanzsektors sind,

sind entweder Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (“OGAW”) oder Alternative Investmentfonds (“AIF”) und müssen den Anforderungen des KAGB entsprechen. Entsprechen sie diesen Anforderungen nicht, sind sie unzulässig und es handelt sich hierbei um unerlaubtes Investmentgeschäft.

Die Rechtsform des Organismus spielt insoweit keine Rolle. Die bei Bürgerenergieprojekten häufig genutzten Genossenschaften sind grundsätzlich ebenso erfasst wie KG-Strukturen (GmbH & Co. KG) oder Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR).

Sofern ein Bürgerenergieprojekt als Investmentvermögen i. S. d. KAGB einzuordnen ist, würde sowohl die Projektgesellschaft selber als auch ihr Manager/Verwalter einer umfassenden – äußerst kosten- und zeitintensiven – Regulierung unterfallen und bedürfte einer Erlaubnis der BaFin.

I. Bürgerenergieprojekt als operativ tätiges Unternehmen

Bürgerenergieprojekte können komplett aus der Regulierung herausfallen, wenn sie als “operativ tätige Unternehmen außerhalb des Finanzsektors” tätig werden.

Auch bereits nach dem Auslegungsschreiben der BaFin zum Anwendungsbereich des KAGB vom 14. Juni 2013 (“BaFin Merkblatt Investmentvermögen 2013”) waren Unternehmen, die “Anlagen (z. B. Biogas-, Solar- oder Windkraftanlagen) im Rahmen eines laufenden Geschäftsbetriebs selbst betreiben”, als operativ tätige Unternehmen anzusehen. Der Betrieb solcher Anlagen umfasst dabei die technischen Prozesse (z. B. Steuerung, Wartung der Anlagen) und die kaufmännische Betriebsführung.

Zu Energiegenossenschaften führte das BaFin Merkblatt Investmentvermögen 2013 ausdrücklich aus, dass es sich bei ihnen um ein Investmentvermögen im Sinne des KAGB handeln kann, wenn deren “Unternehmensgegenstand auf die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen zur Erzeugung von Energien sowie auf den Absatz der gewonnenen Energien gerichtet ist und die Mitglieder vom Unternehmensgewinn eine Dividende auf ihre Einlage erhalten, […] sofern sie die Anlage nicht selbst betreiben und damit nicht operativ tätig sind”.

Nach Aussage der BaFin sei es allerdings unschädlich, wenn sich der „Betreiber“ der Anlage zur Erfüllung seiner Aufgaben eines Dienstleisters bedient, sofern die unternehmerische Entscheidung bei dem Unternehmen verbleibt. Hierzu führte die BaFin aus, dass sich das Unternehmen im Rahmen seiner operativen Tätigkeiten fremder Dienstleister oder gruppeninterner Gesellschaften bedienen kann, “solange die unternehmerische Entscheidung im laufenden Geschäftsbetrieb bei dem Unternehmen selbst verbleibt.”

II. Ausnahmen im KAGB

Sollte ein Bürgerenergieprojekt es nicht schaffen, als operativ tätig angesehen zu werden, verblieben lediglich zwei in Betracht kommende „Privilegierungen“ des KAGB.

1 Ausdrückliche Privilegierung für Bürgerenergieprojekte

Nach § 2 Absatz 4b KAGB gelten umfangreiche Erleichterungen für eine (registrierte) Kapitalverwaltungsgesellschaft, die das Investmentvermögen selbst verwaltet und in Form einer Genossenschaft organisiert ist, die

  • Pflichtprüfungen nach dem Genossenschaftsgesetz unterliegt,
  • in der Satzung Nachschusspflichten der Anleger ausgeschlossen hat,
  • Vermögensgegenstände im Wert von nicht mehr als 100 Mio. Euro (inklusive Leverage) verwaltet und
  • aufgrund gesetzlicher Regelungen (z. B. das EEG) aus der Nutzung des Sachwerts einen Mindestertrag erzielt, der langfristig sichergestellt ist.

Die Investition in das Energieprojekt – den Wind- oder Solarpark etc. – muss dabei nicht unmittelbar, das heißt direkt durch die Genossenschaft, erfolgen. Nach dem Wortlaut des § 2 Absatz 4b Satz 1 Nr. 3 KAGB kann die Genossenschaft “direkt oder indirekt” in den Sachwert investieren, dessen Nutzung einen gesetzlich festgelegten Mindestertrag ergibt. Daher dürfte auch eine indirekte Investition über eine nachgelagerte rechtliche Ebene möglich bleiben, z. B. wenn sich neben einer Genossenschaft ein Stadtwerk beteiligt.

Allerdings hat sich recht schnell herausgestellt, dass diese Registrierung für die meisten Energiegenossenschaften unmöglich oder doch zumindest sehr problematisch ist. Zum einen stellte sich in der Praxis häufig heraus, dass die Anforderungen der BaFin an die „Professionalität“ der Vorstände (Zuverlässigkeit und fachliche Eignung) i. d. R. nicht mit der Realität übereinstimmten.

Aus energierechtlicher Sicht waren die Auswirkungen der sog. verpflichtenden Direktvermarktung zu bewerten, die das EEG 2014 für neue EEG-Anlagen (z. B. Wind- oder Solarprojekte) einführte. Während bislang eine gesetzliche Einspeisevergütung über den Mindestzeitraum von 20 Jahren durch den Netzbetreiber ausgekehrt wurde, haben Anlagenbetreiber nun den erzeugten Strom an einen sog. Direktvermarkter zu veräußern; der Netzbetreiber zahlt als sog. Marktprämie nur die Differenz zwischen gesetzlicher Einspeisevergütung und dem durchschnittlichen Marktpreis an der Strombörse aus. Im Ergebnis bleibt jedoch ein „aufgrund gesetzlicher Regelung erzielter Mindestertrag aus der Nutzung des Sachwerts“ erhalten. Dass künftig, etwa in Zeiten negativer Börsenpreise, die Stromerzeugung aus EEG-Anlagen vorübergehend ausgesetzt wird, dürfte daran jedenfalls dem Grunde nach nichts ändern.

Letztendlich gibt es folgerichtig zum aktuellen Zeitpunkt erst eine einzige Energiegenossenschaft, die eine Registrierung der BaFin hat.

2 Weitere Privilegierungen

Weitere Privilegierungen gibt es für Projekte mit maximal fünf Investoren bzw. für sog. “Kleine Manager” von geschlossenen Publikumsfonds. Allerdings hat die Praxis gezeigt, dass beide Privilegierungen nicht für die typische Energiegenossenschaft geeignet sind.

III. Problematik – operative Tätigkeit von Energiegenossenschaften

In der Praxis hat sich schnell herausgestellt, dass die „operativ tätige“ Energiegenossenschaft – zumindest nach den Anforderungen, die die BaFin im Rahmen ihres BaFin Merkblattes Investmentvermögen 2013 festgelegt hatte – kaum existiert. Hintergrund war schlichtweg, dass Energiegenossenschaften typischerweise Beteiligungen an einzelnen Projektgesellschaften, die wiederum die Projekte betreiben, halten. Dieses ist zum einen aus haftungsrechtlichen Gesichtspunkten für die Genossenschaft und damit die Genossen empfehlenswert und wird auch im Rahmen der Projektfinanzierung i.d.R. von den fremdkapitalgebenden Banken so verlangt. Auch ist häufig ein weiterer Investor, z. B. ein Stadtwerk, beteiligt, so dass eine Projektgesellschaft zwingend erforderlich ist.

Problematisch war, dass die BaFin dieses Halten von Beteiligungen als nicht mit einer „operativen Tätigkeit“ vereinbar angesehen hatte; sie hatte insbesondere verlangt, dass Energiegenossenschaften, die diese Möglichkeit auch nur in ihrer Satzung vorsahen, die Satzung entsprechend ändern müssten.

Auch die hohen Anforderungen des EEG begründeten regelmäßig einen Konflikt zwischen EEG-konformer Strukturierung des Energieprojekts und der operativen Tätigkeit. Denn aufgrund der Komplexität werden zentrale Tätigkeiten, wie etwa die Stromvermarktung oder die kaufmännische und technische Betriebsführung, meist an spezielle Dienstleister ausgelagert. Dies war bei der vertraglichen Strukturierung der Energieprojekte entsprechend zu berücksichtigen.

IV. Einsicht der BaFin – Änderung der Verwaltungspraxis

Nun hat die BaFin offensichtlich erkannt, dass eine derartige Auslegung nicht dem Sinn und Zweck der eigentlich mit der AIFM-Richtlinie bezweckten Fondsregulierung entspricht – zumal insbesondere Genossenschaften aufgrund der bestehenden Prüfungspflicht durch die Prüfungsverbände bereits reguliert sind.

Auf eine „operative Tätigkeit“ i.S.d. KAGB soll es nun bei Genossenschaften zukünftig nicht mehr ankommen. Laut dem neuen Auslegungsschreiben der BaFin zum Anwendungsbereich des KAGB vom 9. März 2015 (“BaFin Merkblatt Investmentvermögen 2015”) verfolgen Genossenschaften regelmäßig keine festgelegte Anlagestrategie. Sie führt hierzu aus:

„Genossenschaften i.S.d. GenG (eG) sind Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern. Diese zwingende, im Genossenschaftsgesetz verankerte Ausrichtung auf einen besonderen Förderzweck, schließt eine im Vordergrund stehende, fondstypische reine Gewinnerzielungsabsicht aus. Regelungen in der Satzung einer Genossenschaft, die dieser Beteiligungen an anderen Unternehmen erlauben, sind daher in diesem Zusammenhang unbedenklich, da von solchen Satzungsbestimmungen nur im Rahmen der Vorgaben des Genossenschaftsgesetzes zum Förderzweck Gebrauch gemacht werden darf.“

Sofern eine Genossenschaft keine festgelegte Anlagestrategie verfolgt, liegt auch kein Investmentvermögen im Sinne des § 1 Abs. 1 KAGB vor. Dieses ist dann unabhängig von der Frage, ob sie operativ tätig (i. S. d. KAGB) ist oder Beteiligungen an Gesellschaften hält.

Insoweit fallen Genossenschaften zukünftig grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich des KAGB heraus.

V. Ausnahmetatbestand auch in § 2 Nr. 1a Kleinanlegerschutzgesetz für Genossenschaften

Eine ähnliche Bewertung scheint der Gesetzgeber auch für die Ausnahme von Genossenschaften im Rahmen des Entwurfs des neuen Kleinanlegerschutzgesetzes in § 2 Nr. 1a vorzunehmen. Nach der Gesetzesbegründung ergibt sich bereits aus den bestehenden Vorschriften des GenG ein ausreichender Anlegerschutz. Danach können die Mitglieder einer Genossenschaft auch partiarische Darlehen und Nachrangdarlehen zur Verfügung stellen, ohne einen Vermögensanlagenprospekt oder Vermögensanlageninformationsblätter erstellen zu müssen.

Auch in diesem Zusammenhang wird die Pflichtprüfung der Genossenschaften, die wiederum der staatlichen Aufsicht unterliegen, als ausreichende Regulierung gesehen. Die Genossenschaft hat allein die Pflicht den Mitgliedern der Genossenschaft vor Vertragsschluss die wesentlichen Informationen, darunter die mit dem Projekt verbundenen Risiken über die Vermögensanlage, zur Verfügung zu stellen.

Fazit – Aufschwung der Genossenschaft

Diese Änderung der Verwaltungspraxis der BaFin zu Genossenschaften ist sehr zu begrüßen. Insbesondere berücksichtigt sie nun die tatsächlichen Gegebenheiten bei Bürgerenergieprojekten und die bei Genossenschaften ohnehin bestehende Prüfungspflicht.

Letztendlich dürfte die Genossenschaft aufgrund dieser geänderten Verwaltungspraxis der BaFin aber auch für andere Investitionen, wie z. B. Immobilien, interessant werden. Einem bestehenden Anlegerschutz würde auch z. B. eine Immobiliengenossenschaft durch die bestehende Aufsicht der Prüfungsverbände gerecht werden.